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Gerechtigkeit für Jîna Mahsa Amîni

Solidaritätskundgebung mit den Protesten im Iran und im Kurdistan

In Gedenken an J’ina Mahsa Amîni und in Solidarität mit den Protesten im Iran und Kurdistan fand am 27. September 2022 am Bahnhofsplatz Bern eine Kundgebung statt. Jîna Mahsa Amînî wurde am 13. September 2022 von der sogenannten Sittenpolizei im Iran verhaftet. Grund dafür: Sie habe ihr Kopftuch unangemessen getragen und ihre Haare nicht vollständig bedeckt. Nach nur zwei Stunden in Haft wurde sie von der Sittenpolizei verprügelt, fiel ins Koma und starb einige Tage später am 16. September an ihren Verletzungen. Während die Polizei und der iranische Staat bestreiten, physische Gewalt ausgeübt zu haben, widersprechen verschiedene Zeug*innen diesen Aussagen und berichten von Gewalt während der Verhaftung, sowie auf dem Polizeirevier. Jîna Mahsa Amînî wurde von der iranischen Polizei umgebracht. Ihr Tod ist die traurige Folge von patriarchaler Gewalt. Ihr Tod ist ein staatlich begangener Feminizid. Weiter ist ihr Tod in Zusammenhang mit ihrer kurdischen Herkunft zu betrachten; Jîna Mahsa Amînî war Kurdin aus der Provinz Ost-Kurdistan im Iran und wie viele andere Kurd*innen auch, muss davon ausgegangen werden, dass auch sie die rassistische Diskriminierung im Alltag erleben musste, welche die kurdische Bevölkerung tagtäglich zu spüren bekommt.

Die Gewalt gegen Jîna Mahsa Amînî ist leider kein Einzelfall, sondern steht repräsentativ für die patriarchalen Strukturen, welche im Iran beispielsweise in Form der «Sittenpolizei» Frauen, feminisierte Menschen und Queers unterdrückt. Die sogenannte Sittenpolizei überwacht die weibliche / feminisierte Bevölkerung und beurteilt unter anderem, wie lang der Mantel ist, welcher getragen wird, ob das Gesicht zu stark geschminkt ist oder die Kleidung zu bunt / enganliegend ist. Es existieren diverse Berichte darüber, wie die Einsatzkräfte der Sittenpolizei durch körperliche und psychische Gewalt Menschen die patriarchalen Forderungen aufzwingen. Weiter zeigte der Staat gerade kürzlich, wie er mit Menschen verfahrt, welche sich gegen diese unterdrückende Machtstrukturen zur Wehr setzen: Vor einigen Tagen wurden die lesbischen Aktivistinnen Elham Choubdar (24) und Zahra Sedighi Hamedani (31) zur Todesstrafe verurteilt. Hamedani und Chubdar wurden wegen «Verbreitung von Korruption auf der Erde» verurteilt – eine Anklage, auf die die Todesstrafe steht und die häufig gegen Angeklagte verhängt wird, die gegen die Scharia-Gesetze des Landes verstoßen haben. Der Tod von Jîna und die Verurteilung von Elham und Zahra sind nur zwei Beispiele der allgegenwärtigen patriarchalen Machtpolitik von Staaten gegen Frauen, feminisierte Menschen, Queers, und ihre Körper!

Jîna Mahsa Amînî Tod führte zu zahlreichen Demonstrationen und offenem Widerstand gegen das Regime von Ebrahim Raisi im Iran und Kurdistan. Tausende protestieren auf der Strasse, verbrennen ihre Kopftücher, zünden Polizeireviere an und legen ihre Arbeit nieder. Der iranische Staat antwortete auf diese Massenproteste mit enormer Brutalität: Laut einer kurdischen Menschenrechtsorganisation sind in Kurdistan während der Proteste mindestens acht Menschen getötet, über 400 verletzt und über 500 verhaftet worden [Stand 21.9.22]. Doch die Aufstände sind ein Beispiel dafür, welche Kraft unterdrückte Menschen erreichen, wenn sie sich zusammenschliessen und kollektiv Widerstand leisten.

Auch wir sind heute hier, um unsere Wut, Trauer und Betroffenheit über den Tod von Jîna Mahsa Amînî auszudrücken. Unsere Solidarität gilt den mutigen Frauen und Queers, die gegen patriarchale Normen rebellieren. Unsere Gedanken sind bei allen aufgrund von patriarchaler und rassistischer Gewalt ermordeten Menschen und ihren Angehörigen. Unsere Solidarität gilt den von Repression betroffenen Demonstrierenden im Iran, sowie allen unterdrückten Gemeinschaften und Geschlechter.

Wir erinnern uns daran, dass auch in der Schweiz patriarchale Gewalt Alltag ist und jede zweite Woche eine Frau, eine non-binäre, trans oder agender Person umgebracht wird. Auch in der Schweiz übt der Staat und die Polizei jeden Tag systematische Gewalt gegen Frauen, non-binäre Menschen, trans Personen, queere Menschen und People of Color aus. Auch in der Schweiz führt Polizeigewalt zur Ermordung von rassistisch diskriminierten Menschen. Auch in der Schweiz sind die Rechte der kurdischen Bevölkerung nicht geschützt, stattdessen finanziert schweizerisches Geld den Angriffskrieg der Türkei gegen die selbstverwaltete kurdische Region Rojava.

Der Tod von Jîna Mahsa Amînî betrifft uns alle. Er ist Teil eines patriarchalen Krieges gegen Frauen, feminisierte Menschen und Queers. Wir fordern Gerechtigkeit für Jîna Mahsa Amînî und alle weiteren von Polizeigewalt und patriarchaler Gewalt ermordeten Geschwister. Wir fordern körperliche Selbstbestimmung für alle Menschen. Wir fordern Freiheit für alle unterdrückten Frauen, Lesben, non-binären, trans, inter und agender Personen im Iran, aber auch in allen anderen Länder dieser Welt. Wir fordern Gerechtigkeit für die verfolgte und bekriegte kurdische Gemeinschaft. Für eine solidarische, internationalistische Antwort auf den Angriff von Staat, Patriarchat und Kapitalismus auf die Körper von Frauen, feminisierten Personen und Queers!
Rest in Power Jîna Mahsa Amînî

Jin Jîyan Azadî – Frauen, Leben, Freiheit