In Kenia wurde ein Feminizid an der Olympia-Athletin Rebecca Cheptegei verübt. Ihr Ex-Partner hatte sie mit Benzin übergossen und angezündet, auch er starb kurz nach dem Angriff an seinen Verletzungen. Erst Anfang 2024 hatten tausende in Reaktion auf mehrere grausame Feminizide gegen patriarchale Gewalt in Kenia demonstriert. Allein in der ersten Woche des Jahres waren über ein Dutzend Frauen Opfer von Feminiziden geworden. Die Koalition, die die Proteste organisiert hatte, besteht aus Frauen verschiedener Organisationen und Plattformen, vom Women’s Collective Kenya über Sexarbeiter*innen bis hin zu LGBTQ-Gemeinschaften. Die Bewegung stellte die Morde in einen breiteren Kontext von geschlechterspezifischer Gewalt und Ungleichheit.
In Frankreich wurde Gisèle Pélicot Jahrelang von ihrem Ehemann missbraucht und dutzenden Männern zur Vergewaltigung ausgeliefert. Er hatte diese Gruppenvergewaltigungen über eine Chatseite “angeboten” und seine Frau mit Beruhigungsmitteln ausser Gefecht gesetzt. Nur durch einen Zufall wird er entdeckt, nicht etwa, weil er angezeigt wurde. Er steht nun mit vielen anderen Männern, die durch seine eigenen Videoaufnahmen der Taten überführt wurden, vor Gericht. Was die Öffentlichkeit schockiert, ist das, was Feministinnen seit langem anprangern: Die Vergewaltiger sind keine Monster, sondern ganz normale Männer, vorbildliche Väter, nette Kollegen und fürsorgliche Nachbarn. Der Fall zeigt auch die tief verwurzelte Frauenfeindlichkeit unserer Gesellschaft. Gisèle wurde zehn Jahre lang unter Drogen gesetzt und vergewaltigt, während sie wegen gynäkologischer Entzündungen, neurologischer Störungen und Gedächtnisverlust in Behandlung war. Dennoch vermutete keiner der Angehörigen der Gesundheitsberufe, dass sie Opfer sexueller Gewalt geworden war.
Gisèle möchte ausdrücklich mit ihrem Namen genannt werden und lehnte es ab, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, da sie der Meinung ist, dass die Scham die Seite wechseln muss. So zwang sie 50 der Angeklagten, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Mit ihrer mutigen Haltung machte sie einen historischen Schritt im Kampf gegen chemische Unterwerfung.
Die beiden Fälle hängen zusammen. Sie zeigen das gewaltvolle System des Patriarchats, dass auf der ganzen Welt herrscht, ob in der Schweiz, in Kenia oder in Frankreich. Anders als viele Zeitungen schreiben, sind dies keine Ausnahmefälle. Es mag so erscheinen, da sie ein Ausdruck von besonders grausamer und rücksichtsloser Gewalt sind. Aber diese Gewalt passiert tagtäglich und ihr Ursprung ist der Gleiche. Warum beteiligen sich hunderte von Männern an einer offensichtlichen Gruppenvergewaltigung und der Täter kommt über Jahre mit seinem Verhalten davon, ohne jemals angezeigt zu werden? Später sind alle überrascht, aber für uns ist es keine Überraschung. Wir, die Betroffenen von dieser Gewalt kennen dieses System gut und wir wissen, was uns jederzeit passieren kann. Deshalb ist auch ein Teil unserer Arbeit, dass wir uns gegenseitig schützen. Der sicherste Ort für uns ist unsere Gemeinschaft. Und auch nur gemeinsam können wir uns wehren. Genauso wie die tausenden Frauen und Queers auf den Straßen Kenias und Gisèle Pélicot, die stellvertretend für viele Betroffene spricht und die weiß, dass sie nicht alleine ist.
Wir wollen diesen Moment nutzen, um einen Gruß herauszuschicken an alle, die täglich unter den schwersten Bedingungen füreinander einstehen. Ihr seid definitiv nicht alleine!