Die Tour gegen Feminizide war eine kraftvolle und mobilisierende Aktion, die auf die anhaltende Krise der patriarchalen Gewalt in der Schweiz aufmerksam machte. Im Rahmen dieser Tour, die verschiedene Städte in der Schweiz umfasste, haben wir eine klare Botschaft verbreitet: Feminizide sind kein unvermeidliches Schicksal, sondern das Resultat struktureller Gewalt, die wir entschlossen bekämpfen.
Wir waren rund um Lausanne, Biel und Zürich auf den Strassen unterwegs, um an die Verstorbenen zu erinnern und um diese Gewalt in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen und zu benennen. Ebenso gab es Aktionen an anderen Orten wie in Genf, Sion, Courfaivre, Schaffhausen und Bern.
Durch die Tour gelang es uns auch neue Allianzen zu schmieden und das kollektive Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas zu schärfen. Es waren drei schöne, berührende, traurige, ermächtigende und kämpferische Tage. Wir danken allen, die mit uns gemeinsam widerständig gegen das rassistische und kapitalistische Patriarchat waren. Wir waren viele und wir werden nicht aufhören, bis diese Gewalt ein Ende findet!
1. Tag
Im Wald von Bussigny pflanzten wir eine Eberesche, die uns mit ihren weissen Blütenbällen an unsere Geschwister erinnern wird, die durch patriarchale Gewalt getötet wurden. In einer Rede wurde auch auf die Verantwortung der Schweizer Institutionen für Feminizide aufmerksam gemacht und Eli gedacht, die 2019 von ihrem Lebensgefährten, einem Polizisten bei der Polizei in Lausanne, ermordet wurde. Briefe, die von Elis Tochter und einer ihrer Freundinnen geschrieben wurden, erinnerten uns daran, dass sie eine lebenslustige Frau war, die gerne tanzte, aber auch eine diskrete Frau, die anderen selten widersprach. Vor dem Baum wurde ein Stein niedergelegt, um die Vorbeigehenden daran zu erinnern, dass es sich um einen Baum handelt, der an alle Opfer von Feminiziden erinnern soll. In St-Sulpice hielten wir am Seeufer, um gemeinsam zu picknicken und Flyer zu verteilen, wobei wir den Passant*innen erklärten, warum wir hier waren.In St-Sulpice hielten wir uns am Seeufer auf, um gemeinsam zu picknicken und Flyer zu verteilen, wobei wir den Passantinnen und Passanten erklärten, warum wir hier waren.Nachdem wir am Seeufer entlang gefahren waren und Slogans wie „Wut zu Widerstand“ oder „Nehmt ihr uns Eine*, antworten wir Alle“ gerufen hatten, hielten wir in Vidy für eine GedenkAktion an. Ein Banner wurde über den See gehängt, um der in Allaman ermordeten Person zu gedenken, deren Leiche in den Genfersee geworfen wurde. Es war der erste Feminizid in diesem Jahr. In einer Rede von “Contre Attaque et Autonomie” wurden die Zusammenhänge zwischen patriarchaler Gewalt und anderen Formen systemischer Unterdrückung hervorgehoben. Die Rede machte auch auf transfeindlichen Hass und die Morde an trans Personen aufmerksam, die das Produkt derselben patriarchalen Gewalt sind. Plakate mit Porträts von ermordeten trans Personen wurden aufgehängt, um an trans Personen und die Notwendigkeit, an ihrer Seite zu kämpfen, zu erinnern. Der Tour endete auf dem Platz des 14. Juni, wo eine Kundgebung organisiert wurde, um unseren Kampf und unsere Forderungen sichtbar zu machen. Eine Rede zitierte Virginie Despentes mit den Worten: „Wenn es Bosse wären, die von ihren Angestellten getötet werden, wäre das ein nationaler Skandal“. Anschliessend trug die Versammlung der Kurdischen Frauen eine Rede vor, in der sie auf die Feminizide an politischen Aktivistinnen aufmerksam machte und uns an den Mut der kurdischen Frauen erinnerte, die die Selbstverteidigung gegen ISIS und den türkischen Staat organisieren. Eine Überlebende von Feminizide hielt eine mutige Rede, in der sie betonte, wie schwierig es ist, Unterstützung von Institutionen zu finden. Die Schwester von Gulia, deren Feminizid im vergangenen Jahr Italien in feministischen Widerstand versetzte hatte, wurde mit den Worten zitiert: „Ihr Mörder ist kein Monster, er ist der gesunde Sohn des Patriarchats“. Die starke Kundgebung beendeten wir mit lauten Slogans.
Anschliessend ging die Tour zu einem Abendessen und einer Diskussion zum Komel von Lajîn, dem kurdischen Frauenverband von Lausanne. Eine Präsentation über Lajîns Arbeit zeigte, wie wichtig es für die Schweizer Feministische Bewegung ist, mit der revolutionären kurdischen Frauenbewegung zusammen zu kämpfen. Der Abend endete mit kurdischen Tänzen, die unsere Herzen mit Motivation erfüllten.
2. Tag
Die Tour machte sich am Morgen mit rund fünfzig Teilnehmenden auf den Weg nach Biel.Eine erste Gedenkaktion fand auf dem Zentralplatz statt, wo ein Banner aufgehängt wurde und der Anarchistische Chor von Biel „Cancion sin Miedo“ sang, ein mexikanisches Lied gegen Feminizide.Auf dem Weg nach LengnauIm Zentrum des Dorfes Lengnau gedachten wir der dort im Juni 2023 getöteten Frau. Wir pflanzten Blumen und Flammen, um unsere Wut zu markieren und die Toten zu begleiten. In einer Rede wurde auch die Gleichgültigkeit angeprangert und versprochen, dass wir einen gemeinsamen Kampf führen, um dieses System zu überwinden, das uns alle in Gewalt gefangen hält.Anschliessend fuhr die Karawane zum Asyllager Büren an der Aare, wo unsere Schwester Jamila im April 2022 von ihrem Mann ermordet wurde. Die Lagerleitung des SRK versucht mit allen Mitteln den Feminizid zu vergessen und verstecken. Zwei Personen vom Migrant Solidarity Network meldeten sich zu Wort, um uns daran zu erinnern, wer Jamila war und dass sie auch heute noch bei uns sein sollte. Die Asylcamp mitarbeitenden wussten von der Gewalt des Mannes, unternahmen jedoch keine Massnahmen und liessen die siebenköpfige Familie in einem Raum leben. Die Rede verdeutlichte die Gewalt im gesamten Schweizer Asylsystem. Wir erlebten gemeinsam sehr bewegende und kraftvolle Momente als ein Gedicht von Jamilas Tochter vorgelesen wurde. Auf Wunsch von Jamilas Kindern wurden dann lila Blumen und ein Apfelbaum gepflanzt. Da die Lagerleitung sich weigerte, Jamilas Kindern einen Ort der Besinnung im Garten zu gewähren, kontaktierten wir den benachbarten Bauern, der sich freundlicherweise bereit erklärte, den Apfelbaum und die Blumen auf seinem Land pflanzen zu lassen. Ein grossartiges Zeichen der Solidarität im Kampf gegen Schweigen und Gleichgültigkeit.Auf dem Rückweg, zum Klang der Parolen. Mit im Wagen ein super Filmteam, das einen Dokumentarfilm über die Tour dreht, damit diese Aktion nicht vergänglich ist.Der Abend ging weiter mit einer leidenschaftlichen Diskussion mit Sarah, die sich bereit erklärte, mit uns die intime Geschichte des Feminizids ihrer Cousine Stessi zu teilen, die sie im Podcast „Celles qui restent“ erzählt. Die Diskussion, die von Hoffnung und Mut handelte, wurde vom feministischen Radiosender Ultraviolet.t moderiert und live im Radio übertragen. Es war eine Diskussion, die uns Ideen gab, wie wir das Gefühl der Ohnmacht in kollektiven Widerstand umwandeln können. Nach dieser intensiven Diskussion klang der Abend mit den feministischen Klängen unserer beiden DJs aus.
3. Tag
Der dritte Tag begann mit einer Gedenkaktion am Zürchersee in Richterswil. Reden vom Sexworkers Collective erklärten, dass hier im November 2023 ein Feminizid stattgefunden hat. Die getötete Frau arbeitete als Escort. Sie war in die Schweiz gekommen um hier ein paar Monate zu arbeiten, bevor sie nach Hause zurückkehren wollte. Die Reden verdeutlichten die Vorurteile unserer Gesellschaft gegenüber Sexarbeiter*innen. In einem Aufruf zum Handeln wurden viele Möglichkeiten vorgeschlagen, sich gegen patriarchale Gewalt zu engagieren, beispielsweise durch eine Kampagne für die Entkriminalisierung von Sexarbeit. Entlang des Weges wurden in Richterswil rote Schuhe aufgestellt, die diejenigen symbolisierten, denen das Leben durch patriarchale Gewalt beendet wurde.Der Tour setzte die Reise nach Wädenswil fort, wo wir der beiden Frauen gedachten, die dort in den letzten Jahren Opfer von Feminiziden geworden waren. Wir haben Papierblumen gebastelt, die wir in einen Brunnen legten. Ebenso haben wir ein Banner aufgehängt, um die Dorfbewohnenden über diese traurige Realität zu informieren und sicherzustellen, dass unsere Schwestern nicht vergessen werden.
Wir setzten unseren Weg am Ufer des Zürichsees fort, zwischen Naturschutzgebieten, Mittelklassevierteln und überfüllten Stränden. Wir haben unserer Wut und unserer Botschaft Gehör verschafft. Wir kamen pünktlich, wenn auch etwas verschwitzt, zum Austausch mit dem Ni Una Menos Kollektiv Zürich und dem Feministischen Streikkollektiv an. Zwei von uns erklärten, warum wir uns entschieden hatten, diese Tour gegen Feminizide zu organisieren, und wir diskutierten über unsere gemeinsamen Kämpfe.Unsere Tour endete in Altstetten, wo wir von Borumbaia mit Trommelklängen begrüsst wurden. Die Kundgebung wurde von Ni Una Menos Zürch in Zusammenarbeit mit Menschen aus der Nachbarschaft organisiert, die Fulya kannten, eine junge kurdische Frau, die 2021 Opfer eines Feminizids wurde. Eine Person, die Fulya kannte, teilte mit uns ein Gedicht, das sie zu ihrem Gedenken geschrieben hatte. In einer Rede wurde auch betont, dass Feminizide nur die Spitze des Eisbergs patriarchaler Gewalt darstellen. Eine Aktivistin aus Zora sprach über Ivana Hoffmann. Ivana ist eine junge schwarze Kommunistin aus Deutschland, die 2014 beschloss, sich den internationalistischen Kräften anzuschließen, die an der Seite der Kurden gegen Daech kämpften. Sie fiel am 7. März 2015 einem Angriff von Daech zum Opfer. In der Wortmeldung wurde betont, dass wir es uns zur Aufgabe machen sollten, von Ivana zu lernen, ihren Mut, ihre Lebensfreude und ihren Ehrgeiz weiterzugeben. Und es sich zur Aufgabe machen, mutig zu kämpfen, denn das Patriarchat wird sich nicht ohne einen entschlossenen Kampf zerstören lassen. Unsere Tour endete mit einem kämpferischen Ton, begleitet von den Slogans „Ni Una Menos“ und Trommeln.
Aktionen an anderen Orten
Der Tour gegen Feminizide bestand nicht nur aus dreitägigen Fahrraddemos, sondern auch und vor allem aus Mobilisierungen in verschiedenen Regionen, um zu zeigen, dass Feminizide eine Realität sind, die sowohl Städte als auch das Land, und absolut alle Schichten Gesellschaft betreffen.
Wir antworten kollktiv auf diese Gewalt! Das patriarchale Gewalt nicht unvermeidlich ist, werden wir bis zu dem Tag kämpfen, auf dem wir auf der Asche des Patriarchats tanzen können.
Courfaivre:
Demonstration in Courfaivre zum Gedenken an alle, die wie Mélanie durch die Schläge eines Mannes ums Leben kamen. Organisiert vom Verein Mél
Sion:
Gedenkaktion in Sion, organisiert vom Walliser Feministinnenkollektiv
Bern:
Aktion in Bern, bei der das feministische Streikkollektiv rote Schuhe in der Stadt platzierte, insbesondere auf Brücken, auf denen romantische Liebe mit Vorhängeschlössern gefeiert wird. Rote Schuhe sind ein Symbol, das auf der ganzen Welt verwendet wird, um Opfer von Femiziden zu symbolisieren.
Schaffhausen:
In Schaffhausen, Feministischer Salon organisiert ein Vortrag über das Thema Feminizide mit ein FOkus auf die uverzichtbare Arbeit, die von den Frauenhäsern geleistet wird. Im Anschluss an die Präsentation fand eine Gedenkaktion für Mariam statt
Genf:
Action organisée par la grève féministe Genève dans le quartier de Chatelaine ou un féminicide a eu lieu en mai 2023. Une de nos soeurs est décédée suite aux violences sexuelles de son compagnon. On ne l’oublie pas, on continuera a parler de son histoire et à lutter tant qu’il faudra contre les fémincides.
Dank
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Kollektiven, die bei der Tour mitgewirkt haben, und bei allen Menschen, die an der Tour teilgenommen haben!
Herzlichen Dank an:
Contre Attaque & Autonomie
Nous serons le feu -Sud
Lajîn – Kurdische Frauenversammlung Lausanne
Grève Féministe Vaud
Atelier des Machines
Clip Clip Tulipe
Sexworkers Collective
Migrant Solidarity Network
Tom aus Büren an der Aare, der uns auf seinem Grundstück einen Apfelbaum pflanzen durfte