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Selbstverteidigung Statement

Bravo aber nein, danke!

Am 15. Januar wurde Christophe Moreau in Porrentruy verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Velosport-Fans kennen ihn unter anderem, weil er im Jahr 2000 bei der Tour de France Vierter wurde. Vor zwei Wochen hat er damit gedroht, seine Ex-Partnerin und seine zwei Töchter zu töten.

2019 hat die jurassische Polizei zahlreiche Hilferufe von Mélanie und ihrem Umfeld ignoriert. Mélanie wurde am 21. Oktober 2019 in Courfaivre von ihrem Ex-Partner umgebracht. In Reaktion darauf wurde der Verein «Association Mel» gegründet, um dafür zu sorgen, dass der Gewalt gegen Frauen und den Femiziden endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Die schnelle und entschiedene Reaktion der jurassischen Polizei und Justiz hängt vielleicht damit zusammen, dass die Ex-Partnerin von Christophe Moreau eine im Kanton Jura bekannte und einflussreiche Persönlichkeit ist. Das Engagement des Vereines «Association Mel» hat aber zweifellos auch eine wichtige Rolle gespielt.

Wir möchten, dass die gesamte Gesellschaft uns verteidigt und wir dafür weder Polizei noch Justiz brauchen, aber bis es so weit ist, begrüssen wir das Zeichen, das die jurassischen Behörden an alle gewalttätigen Männer sendet.

Polizei und Justiz wurden geschaffen, um eine Gesellschaftsordnung zu verteidigen, in der gewisse Kategorien von Menschen mehr Macht haben als andere. Logischerweise haben die weniger mächtigen Gesellschaftsgruppen weniger Chancen, gehört zu werden, wenn sie sich an die Polizei und die Justiz wenden. Polizei und Justiz sind dazu da, ein System zu verteidigen, dass nur funktioniert, wenn «Frauen» weniger Macht haben und ausgebeutet werden können. Deshalb werden sie unsere Rechte und Sicherheit nie wirklich garantieren können.

Lernen wir, uns selbst zu verteidigen. Seien wir solidarisch untereinander und verurteilen wir jede Gewalthandlung entschieden und öffentlich. Damit wir eines Tages keine anderen Menschen mehr brauchen, um unser Leben und unsere Freiheit zu verteidigen.

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Statement

Buchkritik

Nos pères, nos frères, nos amis – Weshalb es sich nicht lohnt, dieses Buch zu lesen

Der Untertitel dieses Buchs, das kürzlich auf Französisch erschienen ist, lautet « Was im Kopf von gewalttätigen Männern vorgeht». Das sagt eigentlich schon alles, trotzdem hatten wir die Hoffnung, etwas mehr zu lesen, als die blosse Wiedergabe dessen, was im Kopf eines Mannes vorgeht, der einer Frau gegenüber Gewalt ausübt (ja, das Buch geht nicht über diese binäre Aufteilung der Menschheit hinaus). Der Autor ist Journalist, er kennt sich mit Story-Telling aus, und plötzlich können wir nicht mehr aufhören zu lesen. Doch jedes Mal, wenn wir das Buch zur Seite legen, fühlen wir uns unwohl, und je mehr wir lesen, desto mehr fragen wir uns, ob wir nicht einfach Zeit verlieren. Wir bleiben dran und bei der letzten Seite angekommen, stellen wir fest: Es lohnt sich wirklich nicht, dieses Buch zu lesen! Es sei denn, ihr seid masochistisch veranlagt. Die viel zu zahlreichen Erfahrungsberichte von «gewalttätigen Männern» rufen bei der Leserin eine Empathie hervor, die sie gar nicht empfinden will, und für Menschen, die männliche Gewalt erlebt haben, ist die Lektüre unzumutbar. Diese Art und Weise, wie Gewalt gerechtfertigt wird und wie «der Frau» die Verantwortung zugeschoben wird, haben wir schon oft gehört – und jedes einzige Mal war ein Mal zu viel. Vielleicht hat der Autor aber auch einfach verstanden, dass sich ein Buch viel besser verkauft, wenn Männer zu Wort kommen… auch wenn der Informationsgehalt gegen Null tendiert.

Damit ihr euch das Lese-Unvergnügen ersparen könnt, hier eine Zusammenfassung des Buches: Der Autor findet plötzlich Interesse an der Gewalt von Männern, beginnt an Gesprächsgruppen von gewalttätigen Männern teilzunehmen und gibt ihre Worte auf 200 Seiten wieder. Dazwischen zitiert der Autor zweimal Virginie Despentes (endlich ein Lichtblick!) und einige Psycholog*innen und Fachpersonen, die uns erklären, dass Männer gewalttätig sind und Frauen diese Gewalt provozieren und sie erdulden, ohne den Mann zu verlassen, weil sie in der Kindheit von Gewalt «angesteckt wurden». Der Autor lässt auch eine Psychoanalystin zu Wort kommen, die erzählt, dass sie jeweils die Mutter treffen will, wenn sie ein Gutachten über einen gewalttätigen Mann schreiben muss, weil «es häufig ein inzestuöses Verhältnis gibt» (falls ihr noch einen Beweis dafür brauchtet, dass die Psychoanalyse wirklich nur ein Haufen Bullshit ist!) Nachdem uns der Autor eine Unzahl von detaillieren Beschreibungen von unerträglicher Gewalt und die jämmerlichen und frauenfeindlichen Ausreden, welche die Männer sich gegenseitig erzählen, zugemutet hat, schliesst er damit, dass es keine andere Lösung für diese «Epidemie» gäbe, als die Kinder besser zu erziehen.  

Das Einzige noch halbwegs Interessante an diesem Buch ist der Moment, als der Autor erstaunt realisiert, dass gewalttätige Männer keine Monster sind, sondern «unsere Väter, unsere Brüder, unsere Freunde». Da diese Information ja schon im Titel des Buches steht, könnt ihr euch gleich die restliche Lektüre ersparen!

Falls ihr euch jetzt fragt, was unsere Haltung ist und von welchem Standpunkt aus wir das Buch beurteilen: Gewalttätigen Männern und ihren Rechtfertigungen so viel Platz einzuräumen, ohne sie in Frage zu stellen, und die (Mit-)Verantwortung von Frauen so stark zu betonen, lässt stark an die Maskulinisten und Männerrechtler denken, die versuchen, die strukturelle Natur der sexistischen Gewalt in einem Meer von Männertränen zu ertränken. Das können wir so nicht stehen lassen.

Anstatt uns zu sagen, die Kinder besser zu erziehen, hätte der Autor vielmehr die Sozialisierung hinterfragen können, die auf der einen Seite zu gewalttätigem und auf der anderen Seite zu selbstzerstörerischem Verhalten führt, die wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen kritisieren können, die dazu führen, dass ein Mensch sich nicht aus einer Gewaltsituation befreien kann, oder ganz einfach sagen können, dass es inakzeptabel ist, einem anderen Menschen Gewalt anzutun und dass es immer in der Verantwortung des Täters liegt, eine Lösung zu finden, um keine Gewalt mehr auszuüben.

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Aktion Statement

Transgender Tag der Erinnerung

Für Sangeetha,

für Malte C,

für Hande Kader,

für Ivana Macedo Silva,

für Naomi Hersi,

für Ambre Audrey Istiere,

für Essi Granlund,

für Samuel Hoffmann,

für alle getöteten trans Personen.

Weil die Transphobie und die Frauenfeindlichkeit töten. Weil diese Morde das Resultat einer strukturellen Gewalt sind, die sich gegen trans Personen und Menschen mit unterschiedlichen Genderidentitäten wendet. Das heteropatriarchale System etabliert eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern, in der das Männliche über dem Weiblichen steht und die Heterosexualität die Norm ist. Menschen, die nicht in diese Kategorien passen, stellen eine Bedrohung für dieses herrschende System dar. Die Geschichte der Transphobie ist eng verknüpft mit dem Kolonialismus und der Durchsetzung einer Norm, die ausbeuterische Beziehungen rechtfertigt. Zahlreiche Kulturen überall auf der Welt kannten und zelebrierten die Genderdiversität. Trans Personen waren «Mudoko dako» in Uganda, «Menschen mit zwei Seelen» für die Indigenen in Amerika, «Muxes» in Oaxaca. An gewissen Orten haben diese Kulturen die Brutalität des Kolonialismus und die Einführung des Kapitalismus überlebt.

Das kapitalistische System führt einen richtigen Krieg gegen die trans Personen. Sie stehen deshalb an vorderster Front im Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung.

Marsha P. Johnson, eine Schwarze trans Frau und Sexarbeiterin, ist zweifellos am bekanntesten. Sie nahm an den Stonewall-Unruhen teil, die zur Entstehung einer kämpferischen LGBTQI+-Bewegung führten. Sie hat unter anderem die «Street Transvestite Action Revolutionaries» mitgegründet, um junge Obdachlose aus der LGBTQI+-Gemeinschaft zu beherbergen. Ihr Körper wurde in einem Fluss gefunden. Die Polizei hat ihren Tod als Selbstmord bezeichnet, ihr Umfeld spricht von Mord.

Malte C. ist ein trans Mann, ein Held, der gestorben ist, als er zwei Personen verteidigt hat, die während der Pride in Münster (Deutschland) im September 2022 angegriffen wurden. Er war 25 Jahre alt.

Hande Kader ist eine trans Frau, eine Aktivistin, die bekannt war dafür, sich gegen die Polizei gestellt zu haben, nachdem die Regierung die Pride-Parade in Istanbul verboten hatte. Sie war 23 Jahre alt, als sie ermordet wurde.

Sangeetha ist eine trans Frau und Mitglied eines Vereins für trans Personen. Sie hat eine Gemeinschaftsküche gegründet, um trans Menschen zu unterstützen, die während der COVID-Krise ihre Einkünfte verloren haben. Sie wurde im Oktober 2020 in Indien ermordet, sie war 60 Jahre alt.

Iyana Macedo Silva ist eine trans Frau und Mitglied der LGBTQI+-Gemeinschaft. Sie war Stylistin und lebte in der französischen Region Hauts-de-Seine. Sie wurde im September 2021 ermordet.

Naomi Hersi ist eine trans Frau aus London, beschrieben als eine sanfte und selbstbewusste Person. Sie wurde im März 2018 im Alter von 36 Jahren ermordet.

Essi Grandlund ist eine trans Frau aus Finnland. Sie wurde im Juni 2020 erstochen. Sie war 26 Jahre alt.

Samuel Hoffmann ist ein trans Mann, der in Billesholm in Schweden lebte. Er wurde im Februar 2022 ermordet. Sein Alter ist nicht bekannt.

Wir vergessen ihre Geschichten nicht. Sich erinnern heisst kämpfen.

Feminist*innen, trans Aktivist*innen und Aktivist*innen anderer Genderidentitäten kämpfen gemeinsam, um den Kapitalismus abzuschaffen und ein freies Leben zu erschaffen.


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Statement

Was hat patriarchale Gewalt mit dem bürgerlichen Staat, der Polizei und dem Militär zu tun?

—english below—

Alle diese Institutionen geben vor uns Sicherheit zu bieten. So geht auch die Übung «Fides» der kommenden Tage vermeintlich um Sicherheit und Schutz.

Doch der Staat und seine repressiven Institutionen schützen uns nicht. Sie sind vielmehr Teil der patriarchalen und rassistischen Gewalt der trans, inter, nonbinäre, agender Personen, Frauen und People of Color alltäglich ausgesetzt sind.

Was bedeutet das konkret?

Never Trust the State:
Der bürgerliche Staat baut seit seiner Entstehung auf einer patriarchalen Ordnung auf. Im Interesse des Kapitals und der Bevölkerungskontrolle fördert der Staat bestehende Geschlechterhierachien und die patriachale Kleinfamilie. Der Staat stabilisiert damit männliche Vorherrschaft und setzt die Voraussetzung für die alltäglichen Abwertungen, Anfeindungen und Gewalttaten, denen trans, inter, nonbinäre, agender Personen und Frauen ausgesetzt sind.

Never Trust Cops:
Für Queers, feminisierte Personen, Frauen, People of Color, Geflüchtete, Obdachlose, Sexarbeiter*innen ist der Kontakt mit der Polizei nach einem Gewalterlebnis oft eine erneute Quelle rassistischer und patriarchaler Gewalt. Die Polizei bietet marginalisierten Menschen keine Sicherheit: Wen anrufen wenn der Täter ein Polizist ist? Was tun wenn der Gang zur Polizei noch mehr Gewalt und Übergriffe oder gar Abschiebung bedeutet?

Ein paar Zahlen, die dies unterstreichen: 2019 hat ein Studie von GfS gezeigt, dass in der Schweiz nur 8% aller sexualisierten Übergriffe zur Anzeige gebracht werden. Die meist genannten Gründe dafür sind: Erstens Scham, zweitens das Gefühl von Chancenlosigkeit und drittens die Angst, dass einem nicht geglaubt wird. Diese Umfrage zeigt: Die Polizei kann vielen Gewaltbetroffenen keine Sicherheit bieten. Stattdessen produziert und reproduziert die Polizei patriarchale und rassistische Gewalt. Denn die Polizei schützt nicht marginalisierte und gewaltbetroffene Personen. Die Polizei schützt die herrschende weisse Ordnung, die herrschende Klasse und deren Eigentum.

Never Trust Soldiers:
Wie die Polizei ist auch das Militär eine stark hierarchische Institution, die auf Empathielosigkeit ihrer Mitglieder aufbaut und in der aktiv gelernt wird, Grenzen jeglicher Art zu überschreiten. Wo es Hierarchien gibt, gibt es immer auch (patriarchale) Gewalt.

Die Militarisierung unserer Welt sowie die Kriege, die von den Mächtigen geführt werden, befeuern patriarchale Gewalt. Beispielsweise erleiden TINFA*s auf der Flucht, an den Aussengrenzen der Festung Europa oder in Kriegsgebieten massenhaft sexualisierte Gewalt. Damit nicht genug: Sexualisierte Gewalt wird von den Militärs dieser Welt auch gezielt als Kriegsmittel eingesetzt.

Solange es das Militär gibt, wird es auch immer patriarchale Gewalt geben. Und solange es das Patriarchat gibt, wird es auch immer Krieg geben.

Es ist klar:

Militär, Polizei und Staat sind Teil des Patriarchats.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, bedeutet daher auch Militär, Polizei und Staat zu bekämpfen.

Patriarchale Gewalt zu stoppen bedeutet gegen jede staatliche Gewalt Widerstand zu leisten. Es bedeutet auch gegen Knäste, gegen Überwachung, gegen Grenzkontrollen, gegen das Aslysystem und gegen die Kriminalisierung von radikalen Kämpfen vorzugehen.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, heisst jegliche Hierarchien und Autoritäten anzugreifen.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, erfordert, dass wir uns zusammenschliessen und als Verbündete gemeinsam Widerstand gegen diese Institutionen leisten.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, erfordert, dass wir eigene kollektive Lösungen erarbeiten, die auf gegenseitiger Sorge, Unterstützung und Solidarität basieren.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, bedeutet kollektiv Verantwortung zu übernehmen: Lasst uns die bestehenden Verhältnisse angreifen, die patriarchale und rassistische Gewalt produzieren. Ein sicheres, gewalt- und herrschaftsfreies Leben für alle können wir uns nur selbst und an Seite mit unseren Genoss*innen auf der ganzem Welt erschaffen.

Eine andere Welt ist möglich und wir alle sind heute hier, um dafür zu kämpfen.

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Feminizid Statement

Jamilia – Feminizid in Büren a.d. Aare

Büren a.d. Aare, 24.04.2022

Unsere Schwester Jamilia wurde in der Nacht vom 23. auf den 24. April von ihrem Ehemann getötet. Es handelt sich um den siebten Feminizid in der Schweiz in diesem Jahr. Sieben Leben, die durch die gleiche patriarchale Gewalt zerstört wurden.


Jamilia war vor dem Krieg in Afghanistan geflohen und hatte mit ihren fünf Kindern in der Schweiz Zuflucht gesucht. Die Menschen, die sie kannten, beschrieben sie als sympathische und zurückhaltende Person. Sie war dabei, auf den Feldwegen um Büren an der Aare Fahrradfahren zu lernen. Dort lebte sie mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern auf kleinstem Raum in einem Lager für geflüchtete Menschen.
Vor einigen Wochen hatte sie mit der Leitung des Lagers darüber gesprochen, dass ihr Mann gewalttätig gegen sie und ihre Kinder vorging.
Wir denken an ihre Angehörigen, ihre Familie in Afghanistan und die Menschen, die mit ihr in diesem Lager den Alltag geteilt haben. Wir sind mit unserem Herzen bei ihnen und teilen ihre Traurigkeit.
Wir sind traurig, aber auch wütend. Wütend auf den Schweizer Staat, in dem seit Anfang des Jahres sieben Feminizide begangen wurden, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nahm. Wir sind wütend auf einen Staat, der sich weigert, seine Verantwortung anzuerkennen, anzuerkennen, dass Feminizide keine Privatangelegenheit sind, sondern Ausdruck der Krankheit des patriarchalen Systems, in dem wir leben. Wir sind wütend auf das sogenannte Asylsystem, das Menschen nicht aufnimmt, sondern sie abweist oder unter unmenschlichen Bedingungen einsperrt.


Gemeinsam werden wir unsere Wut in Widerstand verwandeln!
Ni una menos

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Feminizid Statement

Feminizid in Rapperswil-Jona (SG)

Bern, 14.03.22

Letzte Nacht (12. März) ist in Rapperswil Jona (SG) eine 32 jährige Frau von ihrem Mann getötet worden. Es ist bereits der dritte Feminizid im Jahr 2022!

Traurig und wütend nehmen wir von dieser Nachricht Kenntnis und wünschen allen Angehörigen viel Kraft! Unsere Gedanken ruhen bei unserer ermordeten Schwester.

Wir sind wütend auf das patriarchale System, das diese Gewalt hervorbringt und ermöglicht! Wir sind aber auch wütend auf die Berichtserstattung, die wieder einmal von «Tötungsdelikt» spricht anstatt die machistische Gewalt als solche zu benennen und wir sind wütend über die rassistische Praxis der Nennung von Nationalitäten der Tatpersonen in den Medien. Patriarchale Gewalt hat keinen Zusammenhang mit der Nationalität der Täter, sondern mit einem System, dass systematisch feminisierte Personen abwertet, ausbeutet und Gewalt aussetzt!

Dieser Mord ist keine Privatangelegenheit, er betrifft uns alle! Lasst uns zusammenstehen und uns gegen diese Gewalt zusammenschliessen. Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle! Zusammen in die Offensive gegen Feminizide!

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Statement

Offener Brief bezüglich der Verantwortung der Institutionen am Feminizid von Jamilia

An das Schweizerische Rote Kreuz, Migrationsdienst Bern und Kantonspolizei Bern

Schweiz, 15. Juli 2022, Komitee «Gerechtigkeit für Jamilia – Gerechtigkeit für Alle»

In der Nacht vom 23. auf den 24. April 2022 wurde Jamilia, eine Frau geflüchetet aus Afghanistan, Mutter von fünf Kinder, in der Asylunterkunft in Büren an der Aare, Kanton Bern, von ihrem Ehemann erstochen. Mehrere Bewohnende der Unterkunft kamen der Frau und den Kindern zu Hilfe, sie konnten die Kinder aus dem kleinen Schlafzimmer, in dem die ganze Familie schlafen musste, retten. Für Jamilia kam leider jede Hilfe zu spät, obwohl die Bewohnenden umgehend den Notruf riefen. Die Asylunterkunft in Büren an der Aare wird vom SRK (Schweizerisches Rotes Kreuz) geleitet.

An das SRK und den Migrationsdienst Bern

Die Gewalttätigkeit des Mannes war bereits bekannt. Jamilia hat sich diesbezüglich bereits bei der Unterkunftsleitung gemeldet. Obwohl die Unterkunfts-Verantwortlichen wussten, dass der Mann gegen Jamilia und gegen die Kinder Gewalt anwendet, haben sie nichts unternommen. Es wurden keine Massnahmen getroffen um die Frau und die Kinder zu schützen. Die ganze Familie musste sich ein Zimmer teilen. Jamilia wurde nicht ernst genommen und ihr Leben wurde nicht geschützt. Die Bewohnenden ergriffen in der Nacht des Mordes die Initiative und griffen ein. Doch seit dieser Nacht wurden sie nicht mehr über die Situation informiert, weder wo der Mann ist, was mit den Kinder, die sie gerettet haben, passiert ist noch sonst was zur aktuellen Situation.

Dieser Vorfall ist kein Einzelfall. Es fehlt an Schulungen zum Umgang mit patriarchaler Gewalt der Angestellten und der Verantwortlichen in den Asylunterkünften. Es gibt keine Meldestellen für Betroffene von sexistischem und patriarchalem Verhalten der Angestellten. Es gibt keine frauenspezifische Schutz- und Unterstützungangebote in den Asylcamps. Es werden kaum Informationen zu externen Beratungsstellen und Unterstützungsangeboten bereit gestellt.

Wir fragen:

  • Welche Schritte wurden unternommen, sobald bekannt war, dass der Mann gewalttätig ist?
  • Was für Prozesse gibt es für Fälle von patriarchaler Gewalt in einer Asylunterkunft?
  • Inwiefern werden die Angestellten für solche Situationen geschult?
  • Wieso musste die ganze Familie weiterhin in einem Zimmer unterkommen? Wieso wurde die Frau und die Kinder nicht geschützt?
  • Welche Massnahmen werden ergriffen, damit dies der letzte Feminizid in einer Asylunterkunft ist?
  • Wieso wurden die Bewohnenden nicht weiter informiert?

Wir fordern:

  • Sofortige Bereitstellung von Informationen zu externen Unterstützungsangeboten und Anlaufstellen bei patriarchaler Gewalt. In allen Asylunterkünften und in verschiedenen Sprachen.
  • systematische und regelmässige Informationsarbeit durch Fachstellen wie z.B Lantana, FIZ oder Brava
  • Erarbeitung eines Leitfadens und Prozessen für Fälle von patriarchaler Gewalt und Feminiziden
  • aktive Information zum Thema patriarchale Gewalt in den Asylzentren (mindestens Plakate in verschiedenen Sprachen und Kontakte zu Fachstellen, Erarbeitung der Plakate in Absprache mit einer Fachstelle)
  • externe Meldestelle für Beschwerden gegen die Asylleitung und die Angestellten
  • Zugang der Zivilgesellschaft zu den Lagern, zum Beipiel durch die Gruppe ‹Stop Isolation›
  • diese Punkte sollen Bedingungen werden in allen Mandaten zur Arbeit mit Geflüchteten (ORS, Rotes Kreuz etc.)

An die Kantonspolizei Bern

Die Bewohnenden riefen umgehend der Notrufnummer, trotzdem dauerte es mind. 20 Minuten, bis die Polizei eintraf und fast 45 Miunten bis die Ambulanz kam. Als die Polizei ankam wurden erste Hilfe Massnahmen angewedet, der Tod von Jamilia konnte aber nicht mehr verhindert werden. Die Polizei verhielt sich unsensibel, sie führten den Mann vor den Augen der Kinder ab, die dann durch Bewohnende betreut wurden. Der Mann wurde ohne Handschellen abgeführt und konnte dabei seine hässliche Tat noch mit Beschimpfungen gegen Jamilia erklären. Die Polizei machte den Anschein, dass sie Verständnis mit ihm haben.

Noch am selben Morgen wurden die Menschen, die in das Zimmer von Jamilia gingen, auf dem Polizeiposten verhört und Teils DNA-Proben abgenommen, dabei kümmerte sich die Polizei nicht um Übersetzungen, im Gegenteil, sie verhielten sich respektlos und rassistisch gegen die Bewohnende aufgrund der fehlenden Deutschkenntnisse. Später konnte eine Person von ‹Stop Isolation›, die zum Camp fuhr um die Bewohnenden zu unterstützen eine Übersetzung für einen Teil der Bewohnenden gewährleisten.

Das Verhalten der Polizei und die Verspätung, die sie hatten, ist strukturell. Immer wieder werden Menschen in den Asylzentren nicht ernst genommen, rassistische Kontrollen, Opferumkehr und unrespektvoller Umgang stehen an der Tagesordnung.

Wir fragen:

  • Wieso hatten die Polizei und die Ambulanz so lange um an diesen Notfall zu fahren?
  • Wieso kümmert sich die Polizei nicht um Übersetzungen, speziell in einer solch traumatischen, extremen Situation?
  • Wieso wurden die Bewohnenden, die die Kinder retteten und die einzigen waren, die in der Situation handelten, massiv respektlos behandelt?
  • Wieso dauerte die Opfermeldung durch die Polizei bei der Opferhilfe mehrere Tage, wenn nicht Wochen, wodurch eine kompetente Betreuung und Begleitung der Kinder massiv erschwert wurde?
  • Was wird gegen rassistisches und sexistisches Verhalten in der Polizei unternommen?
  • Was wird dagegen unternommen, dass Notfälle von Bewohnenden in Asylunterkünften nicht ernst genommen werden?

Die Asylpolitik ist grundlegend menschenverachtend und rassistisch und setzt Menschen, im speziellen Frauen, trans und queere Menschen, gewaltvollen Situationen aus. Es schützt Menschen mit Gewalterfahrungen nicht, geschlechterspezifische Fluchtgründe werden kaum anerkannt. Es gibt massive strukturelle Probleme im Asylsystem und es wird auf den Schultern der geflüchteten, migrierten Menschen gespart und profitiert. Diese Politik muss enden. Es braucht grundlegende Veränderungen und ein Umdenken. Die Forderungen in diesem Text sind nur ein kleiner Schritt, dieser ist jedoch dringend notwendig und sofort umzusetzten um weiteren Feminiziden und Gewalterfahrungen möglichst vorzubeugen.

Dieser Brief wird unterzeichnet durch:

  • Arin Mirkan Frauen Komission – Biel
  • Berjîn Zenda Frauenrat Bern
  • Brava
  • Cabbak
  • Collectif femmes* Valais
  • cfd – die feministische Friedensorganisation
  • Droit de rester Neuchâtel
  • Fédération Libertaire des Montagnes
  • Feministisches Kollektiv Thun-Berner Oberland
  • feministischer Streik Bern
  • feministischer Streik Schaffhausen
  • feministischer Streik Zürich
  • Frauen*raum Reitschule Bern
  • Grève féministe Biel-Bienne
  • Grève féministe Yverdon
  • Kleinstadt Freund*innen Solothurn
  • Lastesis Interventionsgruppe Bern
  • L’AMAR
  • Marche Mondiale des Femmes – Suisse
  • Migrantifa Basel
  • Migrant Solidarity Network
  • Mosaïk Bienne
  • Ni Una Menos Basel
  • Ni Una Menos Luzern
  • Ni Una Menos Zürich
  • Offensiv gegen Feminizide – Offensive contre les féminicides
  • Rosara – Frauenzentrum
  • Stop Isolation
  • YJK-S Union der kurdischen Frauen Schweiz
  • Zora Schweiz
  • 16 jours contre la violence faite aux femmes* – Biel/Bienne

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Statement

Versuchter Feminizid in Wittigkofen (BE)

Bern, 21. Dezember 2021

Am Freitag 17. Dezember verletzt ein 36-jähriger Mann in Wittigkofen BE eine Frau schwer.


Beim Ni una menos – Platz (ehemals Bubenbergplatz) in Bern machten wir mit einem Solidaritäts-Transparent auf die strukturelle Gewalt aufmerksam, die Frauen, inter, nonbinären und trans Personen auf der ganzen Welt angetan wird. Denn patriarchale Gewalt hat Struktur. Ein Angriff auf eine*n ist ein Angriff auf uns alle!

Der versuchte Feminizid in Wittigkofen reiht sich in eine traurige Liste von Feminiziden und versuchten Feminiziden ein. In der Schweiz allein wird jede zweite Woche eine FLINTA-Person ermordet. Jede Woche überlebt eine FLINTA-Person einen versuchten Feminizid. Die Gewalt an Frauen, feminisierten, inter, nonbinären und trans Personen (FLINTA) durch Männer werden in der Öffentlichkeit und den Medien als Einzelfälle, als Privatangelegenheit, als Familien- und Liebesdramen oder wie in diesem Fall als simples «Tötungsdelikt» abgetan. Damit wird die Gewalt individualisiert, privatisiert und unsichtbar gemacht. Aber: Feminizide sind keine Einzelfälle, sie sind keine Privatangelegenheit und keine zufälligen Tötungsdelikte, sondern Ausdruck der strukturellen patriarchalen Gewalt, auf der unser kapitalistisches System aufbaut. Sie sind Ausdruck toxischer Männlichkeit sowie Besitz-, Kontroll- und Machtansprüchen von Männern über FLINTA-Personen.

Ein Angriff auf eine*n ist ein Angriff auf uns alle!

Um dieser Gewalt entgegenzutreten, dürfen wir nicht alleine bleiben. Wir wollen uns zusammen tun und uns gegenseitig beschützen und unterstützen. Wir stehen Seite an Seite mit unseren Geschwister, die angegriffen werden und sich auf die verschiedensten Arten verteidigen. Wir sehen die Kraft und Stärke, mit der FLINTA-Personen sich tagtäglich gegen die männliche Vorherrschaft stellen und für sich einstehen müssen. Die Gewalt trifft Einzelne, aber wir müssen alle darauf antworten. Wir schicken solidarische und warme Grüße an die Person, die in Wittigkofen angegriffen wurde. Wir denken an dich und wünschen dir viel Kraft. Gerne unterstützen wir dich bei der Suche nach rechtlicher Verteidigung oder anderen Stellen. Oder kommen mit dir an allfällige Polizeigespräche oder Gerichtsverhandlungen oder trinken mit dir ein Tee und hören zu. Um nur einige Möglichkeiten unserer Unterstützung zu nennen. Du kannst uns per Instagram, Facebook oder Mail (niunamenos@immerda.ch) erreichen.

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Aktion Feminizid Statement

Feminizid in Ziefen (BL)

Ziefen, 28. Februar 2022

Sie lebte in dem kleinen Dorf Ziefen im Kanton Basel. Sie war 60 Jahre alt und hatte mehrere Kinder. Sie war eine begeisterte Hundetrainerin. Heute trauern ihre Freundinnen und Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn sowie ihre Familie um sie. Sie wurde von einem 30-jährigen Mann, einem Familienmitglied, mit einem Pistolenschuss getötet. Sie ist die zweite Person, die in diesem Jahr in der Schweiz durch patriarchaler Gewalt ermordet wurde. Wir sind traurig und wütend. Wir senden unsere aufrichtigen Gedanken an ihre Angehörigen. Wir richten unsere Wut gegen das System, das die Existenz von patriarchaler Gewalt ermöglicht.Gestern Abend sind wir nach Ziefen gefahren, um ein Transparent und Kerzen niederzulegen, um ein Andenken zu hinterlassen, einen Gedanken an unsere ermordete Schwester. Um ihr zu versprechen, dass wir für ein Leben frei von patriarchaler Gewalt kämpfen werden.

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Schon 24 Feminizide im Jahr 2021 in der Region Schweiz

Im Jahr 2021 gab es bereits 24. Feminizide in der Region Schweiz. Alle 12 Tage wurde eine Frau oder Mädchen umgebracht. 24 Frauen und Mädchen die durch die patriarchale Gewalt von Männern umgebracht wurden. 24 Geschichten, die wir nicht vergessen werden.

24 Feminizide die wir nicht unbeantwortet lassen. Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle.In den letzten 6 Tagen wurden gleich 2 Frauen und ein Mädchen Opfer eines Feminizides.Am 13.10 in Altstetten ZH wurde die 30jährige Frau, Mutter von zwei Kinder, umgebracht von ihrem Ex-Partner. Sie hat bis zuletzt gegen die Gewalt von ihm gekämpft.Am 16. Oktober in Netstal GL wurde die 30jährige Frau von einem Mann in ihrem Auto erschossen. Sie war Tanzlehrerin und politische Aktivistin in der tibetanischen Community. Wir denken an dich und werden deine Geschichte nicht vergessen.Heute, am 18. Oktober in Rapperswil Jona SG wurde das 12jährige Mädchen von ihrem Vater umgebracht. Wir werden deine Stimme weitertragen.Allen Angehörigen und Freund*innen wünschen wir viel Kraft. 🌸Schlagen wir zurück gegen patriarchale Gewalt. Beschützen und bestärken wir uns.Zusammen in die Offensive gegen Feminizide 🔥🔥🔥