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Feminizid Statement

Ältere Frauen: ignorierte Opfer von Feminiziden

Sie war 79 Jahre alt und wohnte in Siders. Ihren Namen kennen wir nicht. Eine Nachbarin beschreibt sie als eine sanfte und lächelnde Person. Am 21. März 2023 wurde sie von ihrem Ehemann mit mehreren Messerstichen getötet.
Ein «Familiendrama», wie es in der Pressemitteilung der Polizei heisst. Ein unbegreiflicher Mord, er war ein «so netter» Mann, berichtet eine Nachbarin.
Diese Morde sind jedoch das Ergebnis einer gewöhnlichen Barbarei, einer systemischen Gewalt. Es handelt sich nicht um private Morde, die von Monstern begangen werden, sondern um Massenmorde, für die wir eine kollektive Verantwortung haben.
Diese brutale Gewalt kennt keine Altersgrenze und Feminizide an älteren Frauen werden häufig ignoriert oder verharmlost. Dabei haben ältere Frauen ein hohes Risiko, von patriarchaler Gewalt betroffen zu sein, insbesondere aufgrund ihrer Isolation und der finanziellen Abhängigkeit von ihren Partnern aufgrund ihrer niedrigeren Renten.
Diese Gewalt ist kein unabwendbares Schicksal! Auch wenn das patriarchale System ältere Frauen unsichtbar macht, hindert es sie nicht daran, sich zu mobilisieren. Und wenn ältere Frauen an der Seite von jungen Frauen, Trans- und Queer-Personen kämpfen, kann das patriarchale System wanken.


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Statement

Das Patriarchat tötet, die Polizei auch

Vor 2 Jahren, am 19. März 2021, wurde Evangelista Mañón Moreno (Eli) in Bussigny von ihrem Partner getötet. Er war Polizist in Lausanne und hat Eli mit seiner Dienstwaffe getötet. Vorher hat er Alarm geschlagen und gesagt, er fürchte, mit der Waffe «eine Dummheit anzustellen», doch er wurde nicht ernst genommen. Ein Polizist, der tötet, ist unvorstellbar…? Und doch kommt es häufiger vor, als viele denken!

Wir stehen noch unter Schock nach dem vierfachen Feminizid in Yverdon-les-Bains am 9. März 2023. Der Täter hat nicht nur seine drei Töchter und seine Ex-Partnerin Coralie, Alyssia, Madyson und Chelsey erschossen, er hat auch das Haus buchstäblich in die Luft gejagt. Nichts sollte mehr übrig bleiben vom Leben der vier Frauen. Der Täter war früher Polizist.

Der zweite Feminizid in zwei Jahren verübt durch einen Polizisten im Kanton Waadt. Ist das wirklich Zufall? Leider nein. Feminizid ist eine äusserst extreme Folge dessen, was es heisst, in der Schweiz «als ein Mann» aufgewachsen zu sein und zu leben. Seine Emotionen nicht anders verarbeiten können als durch Wut und Gewalt, nicht effektiv nach Hilfe bitten können, glauben, es sei gerechtfertigt und ein Recht, die Personen zu besitzen, mit denen man in einer Beziehung lebt.

Privatbesitz, habt ihr gesagt? In der Schweiz ist kein Gut rechtlich so gut geschützt. Die Gesetze erlauben es den Gerichten, eine Person, die einer anderen etwas gestohlen hat, strenger zu bestrafen, als eine Person, die ein Leben genommen hat. Und sie tun es mit einer erschreckenden Systematik. Die Aufgabe der Polizei besteht darin, den Rechtsstaat zu verteidigen. Es ist also nicht erstaunlich, dass in einem Land, das den Privatbesitz so hoch hält, Polizisten über einen stark ausgeprägten Sinn für Besitz verfügen. Dazu kommen noch die Gewohnheit, eine Feuerwaffe zu tragen und zu benutzen sowie Gewalt auszuüben, die Kameraderie und die Kollegen, die einem immer wieder in Erinnerung rufen, was es heisst «ein richtiger Mann» zu sein, die Tatsache, dass man als Polizist in der Schweiz praktisch straflos bleibt (was von zahlreichen NGOs und internationalen Organisationen kritisiert wird).

Unser Rechtsstaat ist auch patriarchal, das heisst, er wurde nach dem Modell einer Familie mit einem Familienvater als Vorsteher geschaffen und diese Lebensweise gilt auch als die Norm. Zahlreiche Gesetze wie zum Beispiel das geltende Steuer- oder Familienrecht zeugen nach davon. Die Frau ist dem Mann unterstellt: Die Polizei, der bewaffnete Arm des Staates und Garant von öffentlicher Ordnung und guten Sitten, verteidigt auch dieses Verständnis der Beziehung innerhalb eines Paares.

Wir werden die Geschichten von Eli, Coralie, Alyssia, Madyson und Chelsey nicht vergessen. Ihr Tod ist nicht nur dem Patriarchat verschuldet, sondern auch der Polizei als Institution.

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Ein Vierfachmord ist kein Familiendrama

Am letzten Donnerstag wurden in einem abgebrannten Haus in Yverdon-les-Bains fünf Personen tot aufgefunden, gestern Samstag hat die Waadtländer Polizei kommuniziert, dass alle Personen Schusswunden hatten und neben dem Vater eine Pistole gefunden worden war. Es werde von einem «Familiendrama» ausgegangen, schreibt die Polizei in ihrer Medienkommunikation. Alle bisherigen Medienberichte übernahmen diesen Ausdruck…

Die drei Mädchen wurden 5, 9 und 13 Jahre alt, die Frau 40 Jahre alt. Sie wurden höchstwahrscheinlich eine nach der anderen von ihrem Vater beziehungsweise Ex-Partner erschossen. Zweifellos ein Drama, aber eines, dem der Begriff «Familiendrama» nicht gerecht wird.

«Familiendrama» lässt verstehen, dass es sich um einen innerfamiliären Vorgang handelte, etwas, das zu Hause, im Privaten stattgefunden hat. Gewalt im häuslichen Umfeld hat aber immer einen soziale, gesellschaftliche Komponente (die sozialen Umstände, die dazu führen, dass eine Person Gewalt als eine Lösung sieht; wie wir in unserer Gesellschaft lernen, Beziehungen und Trennungen zu leben; die Tatsache, dass Gewalt immer noch weitgehend Bestandteil der Sozialisierung als Mann ist) und geht uns alle an.

Zu lange schon wird Gewalt gegen Frauen* als Privatsache abgetan, als eine Angelegenheit, die zwischen den zwei betroffenen Personen gelöst werden müsse. Je länger wir Begriffe wie «Familiendrama» benutzen oder akzeptieren, desto länger normalisieren wir diese Gewalt und machen sie möglich. Der vierfache Feminizid von Yverdon-les-Bains ist eine äusserst dramatische Erinnerung daran, dass wir die Augen nicht verschliessen dürfen.

Es gibt keine «Familiendramen», es gibt nur Gewalt, die uns alle etwas angeht und gegen die wir uns alle solidarisch und entschieden wehren müssen!

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Statement

Kritik an der neuen Opferhilfestrategie des Kantons Bern

Im November des letzten Jahres hat der Berner Regierungsrat die kantonale Opferhilfestrategie 2023-2033 verabschiedet. Bereits in der Vernehmlassung wurde das Strategiepapier von Fachstellen massiv bemängelt. Auch wir kritisieren die Strategie aus folgenden Gründen:


1. Rassistische und klassistische Massnahmen
Die vorgeschlagenen Massnahmen sind zu wenig auf die Bedürfnisse von Betroffenen ausgerichtet und legen stattdessen einen Fokus auf migrantische Täter*innen. Dadurch wird die Opferhilfestrategie für eine rassistische Migrations- und Asylpolitik missbraucht ohne Gewaltbetroffene zu stärken. Auch die vorgeschlagene Kürzung der Sozialhilfe als repressives Mittel gegen Täter*innen ist keine wirksame Strategie gegen patriarchale Gewalt, sondern eine Ungleichbehandlung von Täter*innen je nach Klassenhintergrund. Zudem bestraft je nach dem die Kürzung der Sozialhilfe nicht nur den*die Täter*in sondern auch die von der Gewalt betroffenen Person, da sie möglicherweise in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem*der Täter*in steht.


2. Binäre Logik
Die gesamte Opferhilfestrategie ist ausschliesslich auf Frauen und Mädchen ausgerichtet. Viele von patriarchaler Gewalt betroffene Personen werden dadurch unsichtbar gemacht und von Schutzangeboten ausgeschlossen. Eine Opferhilfestrategie sollte alle TINFA-Personen einschliessen (TINFA= trans, inter nonbinary, female, agender). Gerade trans Menschen und nonbinäre Menschen erfahren in der patriarchalen und heteronormativen Gesellschaft, in der wir leben, besonders viel Diskriminierung und Gewalt – die meisten «Schutzorte» sind ihnen jedoch nicht zugänglich.

3. Abbau von Unterstützungsstrukturen
Eine Opferhilfestrategie sollte sich an den Betroffenen ausrichten: die Angebote sollten bedarfsorientiert und niederschwellig sein. Mit dem vorgesehenen Abbau der bestehenden Strukturen (z.B. Schliessung des Standorts Berner Oberland, Verunmöglichung einer Erröffnung eines Mädchenhauses) sowie der fehlenden Sprechung von Geldern wird der niederschwellige Zugang massiv eingeschränkt. Dies während gleichzeitig die Anzahl von Betroffenen in den letzten Jahren ständig angestiegen ist.

4. Täter-Opfer Umkehr
In der Strategie ist vorgesehen, dass Gewaltopfer mit geringen deutschen Sprachkenntnissen dazu verpflichtet werden können sich «sprachliche Kompetenzen» anzueignen. Dies ist eine klassische Täter*innen-Opfer-Umkehr und diskriminierend. Die wichtigsten Kernthemen in der Opferberatung – die Beratung von traumatisierten Menschen und die damit nötige Zeit und Sorgfalt sowie die Sicherheit der Betroffenen – sind in der Strategie hingegen ausgeblendet.

Diese spezifische Kritik richtet sich an die Opferhilfestrategie 2023-2033. Wir finden es wichtig, dass es im Jetzt funktionierende, zugängliche und möglichst diskriminierungsfreie Hilfsangebote für Betroffene patriarchaler Gewalt gibt. Darüber hinaus halten wir aber eine grundlegende Kritik am bürgerlich-kapitalistischen Staat und revolutionäre Perspektiven für notwendig. Denn: Patriarchale Gewalt basiert auf patriarchalen Strukturen und dazu gehören auch staatliche und institutionelle Dimensionen. Der Staat und seine Institutionen wie Polizei und Justizsystem werden nie für alle Menschen Sicherheit vor patriarchaler und rassistischer Gewalt bieten und erst Recht nicht zum Ende von patriarchaler Gewalt beitragen.

Anstatt uns also auf Politiker*innen, Polizei, Richter*innen und andere Kompliz*innen des Patriarchats zu verlassen, müssen wir eigene gemeinschaftsbasierte Lösungen und Gesellschaftsentwürfe erarbeiten und erkämpfen, die auf gegenseitiger Sorge, Unterstützung und Solidarität basieren.

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Selbstverteidigung Statement

Bravo aber nein, danke!

Am 15. Januar wurde Christophe Moreau in Porrentruy verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Velosport-Fans kennen ihn unter anderem, weil er im Jahr 2000 bei der Tour de France Vierter wurde. Vor zwei Wochen hat er damit gedroht, seine Ex-Partnerin und seine zwei Töchter zu töten.

2019 hat die jurassische Polizei zahlreiche Hilferufe von Mélanie und ihrem Umfeld ignoriert. Mélanie wurde am 21. Oktober 2019 in Courfaivre von ihrem Ex-Partner umgebracht. In Reaktion darauf wurde der Verein «Association Mel» gegründet, um dafür zu sorgen, dass der Gewalt gegen Frauen und den Femiziden endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Die schnelle und entschiedene Reaktion der jurassischen Polizei und Justiz hängt vielleicht damit zusammen, dass die Ex-Partnerin von Christophe Moreau eine im Kanton Jura bekannte und einflussreiche Persönlichkeit ist. Das Engagement des Vereines «Association Mel» hat aber zweifellos auch eine wichtige Rolle gespielt.

Wir möchten, dass die gesamte Gesellschaft uns verteidigt und wir dafür weder Polizei noch Justiz brauchen, aber bis es so weit ist, begrüssen wir das Zeichen, das die jurassischen Behörden an alle gewalttätigen Männer sendet.

Polizei und Justiz wurden geschaffen, um eine Gesellschaftsordnung zu verteidigen, in der gewisse Kategorien von Menschen mehr Macht haben als andere. Logischerweise haben die weniger mächtigen Gesellschaftsgruppen weniger Chancen, gehört zu werden, wenn sie sich an die Polizei und die Justiz wenden. Polizei und Justiz sind dazu da, ein System zu verteidigen, dass nur funktioniert, wenn «Frauen» weniger Macht haben und ausgebeutet werden können. Deshalb werden sie unsere Rechte und Sicherheit nie wirklich garantieren können.

Lernen wir, uns selbst zu verteidigen. Seien wir solidarisch untereinander und verurteilen wir jede Gewalthandlung entschieden und öffentlich. Damit wir eines Tages keine anderen Menschen mehr brauchen, um unser Leben und unsere Freiheit zu verteidigen.

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Statement

Buchkritik

Nos pères, nos frères, nos amis – Weshalb es sich nicht lohnt, dieses Buch zu lesen

Der Untertitel dieses Buchs, das kürzlich auf Französisch erschienen ist, lautet « Was im Kopf von gewalttätigen Männern vorgeht». Das sagt eigentlich schon alles, trotzdem hatten wir die Hoffnung, etwas mehr zu lesen, als die blosse Wiedergabe dessen, was im Kopf eines Mannes vorgeht, der einer Frau gegenüber Gewalt ausübt (ja, das Buch geht nicht über diese binäre Aufteilung der Menschheit hinaus). Der Autor ist Journalist, er kennt sich mit Story-Telling aus, und plötzlich können wir nicht mehr aufhören zu lesen. Doch jedes Mal, wenn wir das Buch zur Seite legen, fühlen wir uns unwohl, und je mehr wir lesen, desto mehr fragen wir uns, ob wir nicht einfach Zeit verlieren. Wir bleiben dran und bei der letzten Seite angekommen, stellen wir fest: Es lohnt sich wirklich nicht, dieses Buch zu lesen! Es sei denn, ihr seid masochistisch veranlagt. Die viel zu zahlreichen Erfahrungsberichte von «gewalttätigen Männern» rufen bei der Leserin eine Empathie hervor, die sie gar nicht empfinden will, und für Menschen, die männliche Gewalt erlebt haben, ist die Lektüre unzumutbar. Diese Art und Weise, wie Gewalt gerechtfertigt wird und wie «der Frau» die Verantwortung zugeschoben wird, haben wir schon oft gehört – und jedes einzige Mal war ein Mal zu viel. Vielleicht hat der Autor aber auch einfach verstanden, dass sich ein Buch viel besser verkauft, wenn Männer zu Wort kommen… auch wenn der Informationsgehalt gegen Null tendiert.

Damit ihr euch das Lese-Unvergnügen ersparen könnt, hier eine Zusammenfassung des Buches: Der Autor findet plötzlich Interesse an der Gewalt von Männern, beginnt an Gesprächsgruppen von gewalttätigen Männern teilzunehmen und gibt ihre Worte auf 200 Seiten wieder. Dazwischen zitiert der Autor zweimal Virginie Despentes (endlich ein Lichtblick!) und einige Psycholog*innen und Fachpersonen, die uns erklären, dass Männer gewalttätig sind und Frauen diese Gewalt provozieren und sie erdulden, ohne den Mann zu verlassen, weil sie in der Kindheit von Gewalt «angesteckt wurden». Der Autor lässt auch eine Psychoanalystin zu Wort kommen, die erzählt, dass sie jeweils die Mutter treffen will, wenn sie ein Gutachten über einen gewalttätigen Mann schreiben muss, weil «es häufig ein inzestuöses Verhältnis gibt» (falls ihr noch einen Beweis dafür brauchtet, dass die Psychoanalyse wirklich nur ein Haufen Bullshit ist!) Nachdem uns der Autor eine Unzahl von detaillieren Beschreibungen von unerträglicher Gewalt und die jämmerlichen und frauenfeindlichen Ausreden, welche die Männer sich gegenseitig erzählen, zugemutet hat, schliesst er damit, dass es keine andere Lösung für diese «Epidemie» gäbe, als die Kinder besser zu erziehen.  

Das Einzige noch halbwegs Interessante an diesem Buch ist der Moment, als der Autor erstaunt realisiert, dass gewalttätige Männer keine Monster sind, sondern «unsere Väter, unsere Brüder, unsere Freunde». Da diese Information ja schon im Titel des Buches steht, könnt ihr euch gleich die restliche Lektüre ersparen!

Falls ihr euch jetzt fragt, was unsere Haltung ist und von welchem Standpunkt aus wir das Buch beurteilen: Gewalttätigen Männern und ihren Rechtfertigungen so viel Platz einzuräumen, ohne sie in Frage zu stellen, und die (Mit-)Verantwortung von Frauen so stark zu betonen, lässt stark an die Maskulinisten und Männerrechtler denken, die versuchen, die strukturelle Natur der sexistischen Gewalt in einem Meer von Männertränen zu ertränken. Das können wir so nicht stehen lassen.

Anstatt uns zu sagen, die Kinder besser zu erziehen, hätte der Autor vielmehr die Sozialisierung hinterfragen können, die auf der einen Seite zu gewalttätigem und auf der anderen Seite zu selbstzerstörerischem Verhalten führt, die wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen kritisieren können, die dazu führen, dass ein Mensch sich nicht aus einer Gewaltsituation befreien kann, oder ganz einfach sagen können, dass es inakzeptabel ist, einem anderen Menschen Gewalt anzutun und dass es immer in der Verantwortung des Täters liegt, eine Lösung zu finden, um keine Gewalt mehr auszuüben.

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Aktion Statement

Transgender Tag der Erinnerung

Für Sangeetha,

für Malte C,

für Hande Kader,

für Ivana Macedo Silva,

für Naomi Hersi,

für Ambre Audrey Istiere,

für Essi Granlund,

für Samuel Hoffmann,

für alle getöteten trans Personen.

Weil die Transphobie und die Frauenfeindlichkeit töten. Weil diese Morde das Resultat einer strukturellen Gewalt sind, die sich gegen trans Personen und Menschen mit unterschiedlichen Genderidentitäten wendet. Das heteropatriarchale System etabliert eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern, in der das Männliche über dem Weiblichen steht und die Heterosexualität die Norm ist. Menschen, die nicht in diese Kategorien passen, stellen eine Bedrohung für dieses herrschende System dar. Die Geschichte der Transphobie ist eng verknüpft mit dem Kolonialismus und der Durchsetzung einer Norm, die ausbeuterische Beziehungen rechtfertigt. Zahlreiche Kulturen überall auf der Welt kannten und zelebrierten die Genderdiversität. Trans Personen waren «Mudoko dako» in Uganda, «Menschen mit zwei Seelen» für die Indigenen in Amerika, «Muxes» in Oaxaca. An gewissen Orten haben diese Kulturen die Brutalität des Kolonialismus und die Einführung des Kapitalismus überlebt.

Das kapitalistische System führt einen richtigen Krieg gegen die trans Personen. Sie stehen deshalb an vorderster Front im Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung.

Marsha P. Johnson, eine Schwarze trans Frau und Sexarbeiterin, ist zweifellos am bekanntesten. Sie nahm an den Stonewall-Unruhen teil, die zur Entstehung einer kämpferischen LGBTQI+-Bewegung führten. Sie hat unter anderem die «Street Transvestite Action Revolutionaries» mitgegründet, um junge Obdachlose aus der LGBTQI+-Gemeinschaft zu beherbergen. Ihr Körper wurde in einem Fluss gefunden. Die Polizei hat ihren Tod als Selbstmord bezeichnet, ihr Umfeld spricht von Mord.

Malte C. ist ein trans Mann, ein Held, der gestorben ist, als er zwei Personen verteidigt hat, die während der Pride in Münster (Deutschland) im September 2022 angegriffen wurden. Er war 25 Jahre alt.

Hande Kader ist eine trans Frau, eine Aktivistin, die bekannt war dafür, sich gegen die Polizei gestellt zu haben, nachdem die Regierung die Pride-Parade in Istanbul verboten hatte. Sie war 23 Jahre alt, als sie ermordet wurde.

Sangeetha ist eine trans Frau und Mitglied eines Vereins für trans Personen. Sie hat eine Gemeinschaftsküche gegründet, um trans Menschen zu unterstützen, die während der COVID-Krise ihre Einkünfte verloren haben. Sie wurde im Oktober 2020 in Indien ermordet, sie war 60 Jahre alt.

Iyana Macedo Silva ist eine trans Frau und Mitglied der LGBTQI+-Gemeinschaft. Sie war Stylistin und lebte in der französischen Region Hauts-de-Seine. Sie wurde im September 2021 ermordet.

Naomi Hersi ist eine trans Frau aus London, beschrieben als eine sanfte und selbstbewusste Person. Sie wurde im März 2018 im Alter von 36 Jahren ermordet.

Essi Grandlund ist eine trans Frau aus Finnland. Sie wurde im Juni 2020 erstochen. Sie war 26 Jahre alt.

Samuel Hoffmann ist ein trans Mann, der in Billesholm in Schweden lebte. Er wurde im Februar 2022 ermordet. Sein Alter ist nicht bekannt.

Wir vergessen ihre Geschichten nicht. Sich erinnern heisst kämpfen.

Feminist*innen, trans Aktivist*innen und Aktivist*innen anderer Genderidentitäten kämpfen gemeinsam, um den Kapitalismus abzuschaffen und ein freies Leben zu erschaffen.


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Statement

Was hat patriarchale Gewalt mit dem bürgerlichen Staat, der Polizei und dem Militär zu tun?

—english below—

Alle diese Institutionen geben vor uns Sicherheit zu bieten. So geht auch die Übung «Fides» der kommenden Tage vermeintlich um Sicherheit und Schutz.

Doch der Staat und seine repressiven Institutionen schützen uns nicht. Sie sind vielmehr Teil der patriarchalen und rassistischen Gewalt der trans, inter, nonbinäre, agender Personen, Frauen und People of Color alltäglich ausgesetzt sind.

Was bedeutet das konkret?

Never Trust the State:
Der bürgerliche Staat baut seit seiner Entstehung auf einer patriarchalen Ordnung auf. Im Interesse des Kapitals und der Bevölkerungskontrolle fördert der Staat bestehende Geschlechterhierachien und die patriachale Kleinfamilie. Der Staat stabilisiert damit männliche Vorherrschaft und setzt die Voraussetzung für die alltäglichen Abwertungen, Anfeindungen und Gewalttaten, denen trans, inter, nonbinäre, agender Personen und Frauen ausgesetzt sind.

Never Trust Cops:
Für Queers, feminisierte Personen, Frauen, People of Color, Geflüchtete, Obdachlose, Sexarbeiter*innen ist der Kontakt mit der Polizei nach einem Gewalterlebnis oft eine erneute Quelle rassistischer und patriarchaler Gewalt. Die Polizei bietet marginalisierten Menschen keine Sicherheit: Wen anrufen wenn der Täter ein Polizist ist? Was tun wenn der Gang zur Polizei noch mehr Gewalt und Übergriffe oder gar Abschiebung bedeutet?

Ein paar Zahlen, die dies unterstreichen: 2019 hat ein Studie von GfS gezeigt, dass in der Schweiz nur 8% aller sexualisierten Übergriffe zur Anzeige gebracht werden. Die meist genannten Gründe dafür sind: Erstens Scham, zweitens das Gefühl von Chancenlosigkeit und drittens die Angst, dass einem nicht geglaubt wird. Diese Umfrage zeigt: Die Polizei kann vielen Gewaltbetroffenen keine Sicherheit bieten. Stattdessen produziert und reproduziert die Polizei patriarchale und rassistische Gewalt. Denn die Polizei schützt nicht marginalisierte und gewaltbetroffene Personen. Die Polizei schützt die herrschende weisse Ordnung, die herrschende Klasse und deren Eigentum.

Never Trust Soldiers:
Wie die Polizei ist auch das Militär eine stark hierarchische Institution, die auf Empathielosigkeit ihrer Mitglieder aufbaut und in der aktiv gelernt wird, Grenzen jeglicher Art zu überschreiten. Wo es Hierarchien gibt, gibt es immer auch (patriarchale) Gewalt.

Die Militarisierung unserer Welt sowie die Kriege, die von den Mächtigen geführt werden, befeuern patriarchale Gewalt. Beispielsweise erleiden TINFA*s auf der Flucht, an den Aussengrenzen der Festung Europa oder in Kriegsgebieten massenhaft sexualisierte Gewalt. Damit nicht genug: Sexualisierte Gewalt wird von den Militärs dieser Welt auch gezielt als Kriegsmittel eingesetzt.

Solange es das Militär gibt, wird es auch immer patriarchale Gewalt geben. Und solange es das Patriarchat gibt, wird es auch immer Krieg geben.

Es ist klar:

Militär, Polizei und Staat sind Teil des Patriarchats.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, bedeutet daher auch Militär, Polizei und Staat zu bekämpfen.

Patriarchale Gewalt zu stoppen bedeutet gegen jede staatliche Gewalt Widerstand zu leisten. Es bedeutet auch gegen Knäste, gegen Überwachung, gegen Grenzkontrollen, gegen das Aslysystem und gegen die Kriminalisierung von radikalen Kämpfen vorzugehen.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, heisst jegliche Hierarchien und Autoritäten anzugreifen.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, erfordert, dass wir uns zusammenschliessen und als Verbündete gemeinsam Widerstand gegen diese Institutionen leisten.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, erfordert, dass wir eigene kollektive Lösungen erarbeiten, die auf gegenseitiger Sorge, Unterstützung und Solidarität basieren.

Patriarchale Gewalt zu stoppen, bedeutet kollektiv Verantwortung zu übernehmen: Lasst uns die bestehenden Verhältnisse angreifen, die patriarchale und rassistische Gewalt produzieren. Ein sicheres, gewalt- und herrschaftsfreies Leben für alle können wir uns nur selbst und an Seite mit unseren Genoss*innen auf der ganzem Welt erschaffen.

Eine andere Welt ist möglich und wir alle sind heute hier, um dafür zu kämpfen.

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Feminizid Statement

Jamilia – Feminizid in Büren a.d. Aare

Büren a.d. Aare, 24.04.2022

Unsere Schwester Jamilia wurde in der Nacht vom 23. auf den 24. April von ihrem Ehemann getötet. Es handelt sich um den siebten Feminizid in der Schweiz in diesem Jahr. Sieben Leben, die durch die gleiche patriarchale Gewalt zerstört wurden.


Jamilia war vor dem Krieg in Afghanistan geflohen und hatte mit ihren fünf Kindern in der Schweiz Zuflucht gesucht. Die Menschen, die sie kannten, beschrieben sie als sympathische und zurückhaltende Person. Sie war dabei, auf den Feldwegen um Büren an der Aare Fahrradfahren zu lernen. Dort lebte sie mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern auf kleinstem Raum in einem Lager für geflüchtete Menschen.
Vor einigen Wochen hatte sie mit der Leitung des Lagers darüber gesprochen, dass ihr Mann gewalttätig gegen sie und ihre Kinder vorging.
Wir denken an ihre Angehörigen, ihre Familie in Afghanistan und die Menschen, die mit ihr in diesem Lager den Alltag geteilt haben. Wir sind mit unserem Herzen bei ihnen und teilen ihre Traurigkeit.
Wir sind traurig, aber auch wütend. Wütend auf den Schweizer Staat, in dem seit Anfang des Jahres sieben Feminizide begangen wurden, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nahm. Wir sind wütend auf einen Staat, der sich weigert, seine Verantwortung anzuerkennen, anzuerkennen, dass Feminizide keine Privatangelegenheit sind, sondern Ausdruck der Krankheit des patriarchalen Systems, in dem wir leben. Wir sind wütend auf das sogenannte Asylsystem, das Menschen nicht aufnimmt, sondern sie abweist oder unter unmenschlichen Bedingungen einsperrt.


Gemeinsam werden wir unsere Wut in Widerstand verwandeln!
Ni una menos

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Feminizid Statement

Feminizid in Rapperswil-Jona (SG)

Bern, 14.03.22

Letzte Nacht (12. März) ist in Rapperswil Jona (SG) eine 32 jährige Frau von ihrem Mann getötet worden. Es ist bereits der dritte Feminizid im Jahr 2022!

Traurig und wütend nehmen wir von dieser Nachricht Kenntnis und wünschen allen Angehörigen viel Kraft! Unsere Gedanken ruhen bei unserer ermordeten Schwester.

Wir sind wütend auf das patriarchale System, das diese Gewalt hervorbringt und ermöglicht! Wir sind aber auch wütend auf die Berichtserstattung, die wieder einmal von «Tötungsdelikt» spricht anstatt die machistische Gewalt als solche zu benennen und wir sind wütend über die rassistische Praxis der Nennung von Nationalitäten der Tatpersonen in den Medien. Patriarchale Gewalt hat keinen Zusammenhang mit der Nationalität der Täter, sondern mit einem System, dass systematisch feminisierte Personen abwertet, ausbeutet und Gewalt aussetzt!

Dieser Mord ist keine Privatangelegenheit, er betrifft uns alle! Lasst uns zusammenstehen und uns gegen diese Gewalt zusammenschliessen. Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle! Zusammen in die Offensive gegen Feminizide!