
Zollikofen, 24.08.22
Wir haben heute mit einer Kundgebung vor dem SRK Gebäude in Zollikofen auf die fehlende Aufarbeitung des Feminizides an Jamilia, vom 24. April 2022 in Büren an der Aare in der Asylunterkunft des SRK aufmerksam gemacht. Feminizide sind keine Einzelfälle, der Feminizid von Jamilia war der 7. im Jahr 2022 und der 20. innerhalb eines Jahres.
Wie bereits im offenen Brief an das SRK, die Kantonspolizei Bern und den Migrationsdienst Bern geschrieben, kritisieren wir den Umgang mit patriarchaler Gewalt von Seiten der Institutionen. Es fehlt an Schulungen und an interner Auseinandersetzung.
Auszug aus der Rede:
Liebe Anwesende,
Am 24. April, genau vor 4 Monaten, wurde Jamilia in dem Asyllager in Büren an der Aare von ihrem Ehemann umgebracht. Es ist ein Feminizid und es ist kein Einzelfall. Es war der 20. Feminizid innerhalb eines Jahres und der 7. seit dem Jahr 2022. Dieser Feminizid wurde in einem kleinen Zimmer in dem Asyllager verübt. In einem Zimmer in dem die 7 köpfige Familie alle zusammen schlafen mussten. Dieser Feminizid konnte verübt werden, obwohl die Gewalttätigkeiten des Mannes bekannt waren. Jamilia ist aus Afghanistan geflohen und wurde hier in einem Asyllager getötet, dass kaum Privatsphäre zulässt, in dem es nicht genug Platz hat. Das Asyllager in dem Jamilia ermordet wurde, wird vom schweizerischen Roten Kreuz geführt. Deshalb stehen wir heute hier.
In dieser Nacht, vom 23. auf den 24. April, waren es die Bewohnenden des Camps die interveniert haben, als sie gehört haben, dass der Mann gewalttätig wurde. Sie waren es, die versucht haben Jamilia zu verteidigen, und die die fünf Kinder aus dem Zimmer nahmen und sich um sie kümmerten. Dank ihnen konnte konnten die Kinder das Zimmer verlassen und beschützt werden. Und es waren die Bewohnenden, die noch in derselben Nacht auf den Polizeiposten mitgehen mussten um Zeugenaussagen zu machen und DNA abzugeben.
Etwa einen Monat nach dem Mord schickte das SRK ein Dankensbrief an die Polizei. Sie behaupten, dass die Bewohnenden dank der Polizei das Gefühl der Sicherheit hatten. Es stellt sich die Frage, wieso das SRK der Kantonspolizei einen solchen Brief ausstellt, geht es darum einander vor Kritik zu schützen?
Für viele Menschen bedeutet die Polizei keine Sicherheit, im Gegenteil, sie bedeutet Gefahr. Bei vielen Feminizide wurde die Gewalt im Vorfeld des Mordes bei der Polizei gemeldet, oftmals wurde Anzeige gegen den Täter eingereicht, in den meisten Fällen passiert nichts. Die Polizei ist keine Institution, die die allgemeine Bevölkerung schützt, sie sind eine Institution, die die herrschenden Verhältnisse schützt.
Etwa vor einem Monat haben wir einen offenen Brief an das SRK, den Migrationsdienst Bern und die Kantonspolizei Bern geschickt. Das SRK antwortete uns nicht, auch deshalb stehen wir heute hier. Wenn sie sich nicht äussern wollen, sorgen wir zumindest dafür, dass sie die Nachricht erhalten. In dem Brief haben wir Forderungen aufgelistet, die dringend umgesetzt werden müssen. Die Gewalt des Asylsystems ist strukturell, es steht nicht der Schutz der Menschen im Vordergrund, sondern die möglichst günstige und aufwandarme Verwaltung der Menschen. Es fehlt an vielem und es muss sich vieles ändern.
Doch die Forderungen, die im Brief gesammelt sind, können innerhalb kürzester Zeit umgesetzt werden, es sind Punkte bei denen nicht die Zeit oder die Fähigkeiten eine Hürde darstellen, sondern alleine der Willen.
Die Forderungen sind:
– Sofortige Bereitstellung von Informationen zu externen Unterstützungsangeboten und Anlaufstellen bei patriarchaler Gewalt. In allen Asylunterkünften und in verschiedenen Sprachen.
– systematische und regelmässige Informationsarbeit durch Fachstellen wie z.B Lantana, FIZ oder Brava
– Erarbeitung eines Leitfadens und Prozessen für Fälle von patriarchaler Gewalt und Feminiziden
– aktive Information zum Thema patriarchale Gewalt in den Asylzentren (mindestens Plakate in verschiedenen Sprachen und Kontakte zu Fachstellen, Erarbeitung der Plakate in Absprache mit einer Fachstelle)
– externe Meldestelle für Beschwerden gegen die Asylleitung und die Angestellten
– Zugang der Zivilgesellschaft zu den Lagern, zum Beipiel durch die Gruppe ‹Stop Isolation›
– diese Punkte sollen Bedingungen werden in allen Mandaten zur Arbeit mit Geflüchteten (ORS, Rotes Kreuz etc.)
Wir erwarten ernsthafte Schritte um den Schutz von Frauen, Kinder, feminisierten Menschen und allen Menschen im Asylverfahren zu verstärken.
Und dabei ist uns klar, dass wir alle erst dann in Sicherheit und Freiheit leben können, wenn die Ausbeutung der Menschen und Natur auf der ganzen Welt beendet wird, wenn Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus überwunden sind und Menschen nicht mehr verwaltet werden.