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Feminizid

Im Gedenken an den ersten Feminizid im 2023

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Internationales

Internationale feministische Solidarität

Direkte Unterstützung für die Erdbebenopfer in Kurdistan


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Statement

Kritik an der neuen Opferhilfestrategie des Kantons Bern

Im November des letzten Jahres hat der Berner Regierungsrat die kantonale Opferhilfestrategie 2023-2033 verabschiedet. Bereits in der Vernehmlassung wurde das Strategiepapier von Fachstellen massiv bemängelt. Auch wir kritisieren die Strategie aus folgenden Gründen:


1. Rassistische und klassistische Massnahmen
Die vorgeschlagenen Massnahmen sind zu wenig auf die Bedürfnisse von Betroffenen ausgerichtet und legen stattdessen einen Fokus auf migrantische Täter*innen. Dadurch wird die Opferhilfestrategie für eine rassistische Migrations- und Asylpolitik missbraucht ohne Gewaltbetroffene zu stärken. Auch die vorgeschlagene Kürzung der Sozialhilfe als repressives Mittel gegen Täter*innen ist keine wirksame Strategie gegen patriarchale Gewalt, sondern eine Ungleichbehandlung von Täter*innen je nach Klassenhintergrund. Zudem bestraft je nach dem die Kürzung der Sozialhilfe nicht nur den*die Täter*in sondern auch die von der Gewalt betroffenen Person, da sie möglicherweise in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem*der Täter*in steht.


2. Binäre Logik
Die gesamte Opferhilfestrategie ist ausschliesslich auf Frauen und Mädchen ausgerichtet. Viele von patriarchaler Gewalt betroffene Personen werden dadurch unsichtbar gemacht und von Schutzangeboten ausgeschlossen. Eine Opferhilfestrategie sollte alle TINFA-Personen einschliessen (TINFA= trans, inter nonbinary, female, agender). Gerade trans Menschen und nonbinäre Menschen erfahren in der patriarchalen und heteronormativen Gesellschaft, in der wir leben, besonders viel Diskriminierung und Gewalt – die meisten «Schutzorte» sind ihnen jedoch nicht zugänglich.

3. Abbau von Unterstützungsstrukturen
Eine Opferhilfestrategie sollte sich an den Betroffenen ausrichten: die Angebote sollten bedarfsorientiert und niederschwellig sein. Mit dem vorgesehenen Abbau der bestehenden Strukturen (z.B. Schliessung des Standorts Berner Oberland, Verunmöglichung einer Erröffnung eines Mädchenhauses) sowie der fehlenden Sprechung von Geldern wird der niederschwellige Zugang massiv eingeschränkt. Dies während gleichzeitig die Anzahl von Betroffenen in den letzten Jahren ständig angestiegen ist.

4. Täter-Opfer Umkehr
In der Strategie ist vorgesehen, dass Gewaltopfer mit geringen deutschen Sprachkenntnissen dazu verpflichtet werden können sich «sprachliche Kompetenzen» anzueignen. Dies ist eine klassische Täter*innen-Opfer-Umkehr und diskriminierend. Die wichtigsten Kernthemen in der Opferberatung – die Beratung von traumatisierten Menschen und die damit nötige Zeit und Sorgfalt sowie die Sicherheit der Betroffenen – sind in der Strategie hingegen ausgeblendet.

Diese spezifische Kritik richtet sich an die Opferhilfestrategie 2023-2033. Wir finden es wichtig, dass es im Jetzt funktionierende, zugängliche und möglichst diskriminierungsfreie Hilfsangebote für Betroffene patriarchaler Gewalt gibt. Darüber hinaus halten wir aber eine grundlegende Kritik am bürgerlich-kapitalistischen Staat und revolutionäre Perspektiven für notwendig. Denn: Patriarchale Gewalt basiert auf patriarchalen Strukturen und dazu gehören auch staatliche und institutionelle Dimensionen. Der Staat und seine Institutionen wie Polizei und Justizsystem werden nie für alle Menschen Sicherheit vor patriarchaler und rassistischer Gewalt bieten und erst Recht nicht zum Ende von patriarchaler Gewalt beitragen.

Anstatt uns also auf Politiker*innen, Polizei, Richter*innen und andere Kompliz*innen des Patriarchats zu verlassen, müssen wir eigene gemeinschaftsbasierte Lösungen und Gesellschaftsentwürfe erarbeiten und erkämpfen, die auf gegenseitiger Sorge, Unterstützung und Solidarität basieren.

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Selbstverteidigung Statement

Bravo aber nein, danke!

Am 15. Januar wurde Christophe Moreau in Porrentruy verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Velosport-Fans kennen ihn unter anderem, weil er im Jahr 2000 bei der Tour de France Vierter wurde. Vor zwei Wochen hat er damit gedroht, seine Ex-Partnerin und seine zwei Töchter zu töten.

2019 hat die jurassische Polizei zahlreiche Hilferufe von Mélanie und ihrem Umfeld ignoriert. Mélanie wurde am 21. Oktober 2019 in Courfaivre von ihrem Ex-Partner umgebracht. In Reaktion darauf wurde der Verein «Association Mel» gegründet, um dafür zu sorgen, dass der Gewalt gegen Frauen und den Femiziden endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Die schnelle und entschiedene Reaktion der jurassischen Polizei und Justiz hängt vielleicht damit zusammen, dass die Ex-Partnerin von Christophe Moreau eine im Kanton Jura bekannte und einflussreiche Persönlichkeit ist. Das Engagement des Vereines «Association Mel» hat aber zweifellos auch eine wichtige Rolle gespielt.

Wir möchten, dass die gesamte Gesellschaft uns verteidigt und wir dafür weder Polizei noch Justiz brauchen, aber bis es so weit ist, begrüssen wir das Zeichen, das die jurassischen Behörden an alle gewalttätigen Männer sendet.

Polizei und Justiz wurden geschaffen, um eine Gesellschaftsordnung zu verteidigen, in der gewisse Kategorien von Menschen mehr Macht haben als andere. Logischerweise haben die weniger mächtigen Gesellschaftsgruppen weniger Chancen, gehört zu werden, wenn sie sich an die Polizei und die Justiz wenden. Polizei und Justiz sind dazu da, ein System zu verteidigen, dass nur funktioniert, wenn «Frauen» weniger Macht haben und ausgebeutet werden können. Deshalb werden sie unsere Rechte und Sicherheit nie wirklich garantieren können.

Lernen wir, uns selbst zu verteidigen. Seien wir solidarisch untereinander und verurteilen wir jede Gewalthandlung entschieden und öffentlich. Damit wir eines Tages keine anderen Menschen mehr brauchen, um unser Leben und unsere Freiheit zu verteidigen.

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Statement

Buchkritik

Nos pères, nos frères, nos amis – Weshalb es sich nicht lohnt, dieses Buch zu lesen

Der Untertitel dieses Buchs, das kürzlich auf Französisch erschienen ist, lautet « Was im Kopf von gewalttätigen Männern vorgeht». Das sagt eigentlich schon alles, trotzdem hatten wir die Hoffnung, etwas mehr zu lesen, als die blosse Wiedergabe dessen, was im Kopf eines Mannes vorgeht, der einer Frau gegenüber Gewalt ausübt (ja, das Buch geht nicht über diese binäre Aufteilung der Menschheit hinaus). Der Autor ist Journalist, er kennt sich mit Story-Telling aus, und plötzlich können wir nicht mehr aufhören zu lesen. Doch jedes Mal, wenn wir das Buch zur Seite legen, fühlen wir uns unwohl, und je mehr wir lesen, desto mehr fragen wir uns, ob wir nicht einfach Zeit verlieren. Wir bleiben dran und bei der letzten Seite angekommen, stellen wir fest: Es lohnt sich wirklich nicht, dieses Buch zu lesen! Es sei denn, ihr seid masochistisch veranlagt. Die viel zu zahlreichen Erfahrungsberichte von «gewalttätigen Männern» rufen bei der Leserin eine Empathie hervor, die sie gar nicht empfinden will, und für Menschen, die männliche Gewalt erlebt haben, ist die Lektüre unzumutbar. Diese Art und Weise, wie Gewalt gerechtfertigt wird und wie «der Frau» die Verantwortung zugeschoben wird, haben wir schon oft gehört – und jedes einzige Mal war ein Mal zu viel. Vielleicht hat der Autor aber auch einfach verstanden, dass sich ein Buch viel besser verkauft, wenn Männer zu Wort kommen… auch wenn der Informationsgehalt gegen Null tendiert.

Damit ihr euch das Lese-Unvergnügen ersparen könnt, hier eine Zusammenfassung des Buches: Der Autor findet plötzlich Interesse an der Gewalt von Männern, beginnt an Gesprächsgruppen von gewalttätigen Männern teilzunehmen und gibt ihre Worte auf 200 Seiten wieder. Dazwischen zitiert der Autor zweimal Virginie Despentes (endlich ein Lichtblick!) und einige Psycholog*innen und Fachpersonen, die uns erklären, dass Männer gewalttätig sind und Frauen diese Gewalt provozieren und sie erdulden, ohne den Mann zu verlassen, weil sie in der Kindheit von Gewalt «angesteckt wurden». Der Autor lässt auch eine Psychoanalystin zu Wort kommen, die erzählt, dass sie jeweils die Mutter treffen will, wenn sie ein Gutachten über einen gewalttätigen Mann schreiben muss, weil «es häufig ein inzestuöses Verhältnis gibt» (falls ihr noch einen Beweis dafür brauchtet, dass die Psychoanalyse wirklich nur ein Haufen Bullshit ist!) Nachdem uns der Autor eine Unzahl von detaillieren Beschreibungen von unerträglicher Gewalt und die jämmerlichen und frauenfeindlichen Ausreden, welche die Männer sich gegenseitig erzählen, zugemutet hat, schliesst er damit, dass es keine andere Lösung für diese «Epidemie» gäbe, als die Kinder besser zu erziehen.  

Das Einzige noch halbwegs Interessante an diesem Buch ist der Moment, als der Autor erstaunt realisiert, dass gewalttätige Männer keine Monster sind, sondern «unsere Väter, unsere Brüder, unsere Freunde». Da diese Information ja schon im Titel des Buches steht, könnt ihr euch gleich die restliche Lektüre ersparen!

Falls ihr euch jetzt fragt, was unsere Haltung ist und von welchem Standpunkt aus wir das Buch beurteilen: Gewalttätigen Männern und ihren Rechtfertigungen so viel Platz einzuräumen, ohne sie in Frage zu stellen, und die (Mit-)Verantwortung von Frauen so stark zu betonen, lässt stark an die Maskulinisten und Männerrechtler denken, die versuchen, die strukturelle Natur der sexistischen Gewalt in einem Meer von Männertränen zu ertränken. Das können wir so nicht stehen lassen.

Anstatt uns zu sagen, die Kinder besser zu erziehen, hätte der Autor vielmehr die Sozialisierung hinterfragen können, die auf der einen Seite zu gewalttätigem und auf der anderen Seite zu selbstzerstörerischem Verhalten führt, die wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen kritisieren können, die dazu führen, dass ein Mensch sich nicht aus einer Gewaltsituation befreien kann, oder ganz einfach sagen können, dass es inakzeptabel ist, einem anderen Menschen Gewalt anzutun und dass es immer in der Verantwortung des Täters liegt, eine Lösung zu finden, um keine Gewalt mehr auszuüben.

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Aktion

Solidarität mit den Genossinnen* aus Basel

Gegen polizeiliche und staatliche Gewalt!

Bullen, Macker, Patriarchat, wir haben euch zum Kotzen satt!

Fight the Police, State and Patriarchy: Solidarität mit allen von Polizeigewalt Betroffenen

Weltweit gingen am 25. November trans, inter, nonbinäre, agender, queere Menschen und frauen gegen patriarchale Gewalt auf die Strasse. In Basel wurde die Demonstration von der Polizei von Beginn weg versucht zu verhindern, schlussendlich blockiert und mit Tränengas, Pfefferspray und Gummischrott attackiert. Nach der Demo wurden mehrere Demonstrierende verhaftet und haben erneut Polizeigewalt erfahren.

Die Polizei zeigt mit ihrem Vorgehen wieder einmal auf welcher Seite sie steht: Auf der Seite der Gewalt, auf der Seite des Patriarchats, auf der Seite des herrschenden sexistischen, queerfeindlichen, rassistischen und kapitalistischen Systems.

Diese Polizeigewalt in Basel gegen Frauen und Queers ist kein Einzelfall. Und sie ist auch kein Zufall. Die Polizei, das Militär und repressive Staaten üben gegenwärtig überall auf der Welt Gewalt gegenüber emanzipatorischen und revolutionären Kämpfen aus. Diese Gewalt ist tief in unserem gegenwärtigen System verankert: Es gibt keine Polizei und keine Polizist*in auf dieser Welt, die nicht alltäglich patriarchale und rassistische Gewalt (re)produziert. Denn die Polizei schützt nicht die Menschen, sie schützt nicht marginalisierte und unterdrückte Personen und Gruppen. Die Polizei schützt die herrschende weisse, cis-männliche, hetero Ordnung. Die Polizei ist ein wesentlicher Teil des Patriarchats. Grenzenloser Widerstand gegen patriarchale Gewalt bedeutet daher auch die Polizei und den Staat zu bekämpfen.

Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen von Polizeigewalt und anderer staatlicher Gewalt. Deswegen haben wir heute in Biel ein Banner aufgehängt. Unsere Gedanken sind bei den Freund*innen aus Basel aber auch mit unseren Genoss*innen im Iran, in Kurdistan und in anderen Kämpfen auf dieser Welt, die tagtäglich Widerstand gegen patriarchale Gewalt leisten. Wandeln auch wir unsere Wut in kämpferische und solidarische Stärke um.

Gemeinsam gegen Polizei, Staat und Patriarchat!

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Aktion Statement

Transgender Tag der Erinnerung

Für Sangeetha,

für Malte C,

für Hande Kader,

für Ivana Macedo Silva,

für Naomi Hersi,

für Ambre Audrey Istiere,

für Essi Granlund,

für Samuel Hoffmann,

für alle getöteten trans Personen.

Weil die Transphobie und die Frauenfeindlichkeit töten. Weil diese Morde das Resultat einer strukturellen Gewalt sind, die sich gegen trans Personen und Menschen mit unterschiedlichen Genderidentitäten wendet. Das heteropatriarchale System etabliert eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern, in der das Männliche über dem Weiblichen steht und die Heterosexualität die Norm ist. Menschen, die nicht in diese Kategorien passen, stellen eine Bedrohung für dieses herrschende System dar. Die Geschichte der Transphobie ist eng verknüpft mit dem Kolonialismus und der Durchsetzung einer Norm, die ausbeuterische Beziehungen rechtfertigt. Zahlreiche Kulturen überall auf der Welt kannten und zelebrierten die Genderdiversität. Trans Personen waren «Mudoko dako» in Uganda, «Menschen mit zwei Seelen» für die Indigenen in Amerika, «Muxes» in Oaxaca. An gewissen Orten haben diese Kulturen die Brutalität des Kolonialismus und die Einführung des Kapitalismus überlebt.

Das kapitalistische System führt einen richtigen Krieg gegen die trans Personen. Sie stehen deshalb an vorderster Front im Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung.

Marsha P. Johnson, eine Schwarze trans Frau und Sexarbeiterin, ist zweifellos am bekanntesten. Sie nahm an den Stonewall-Unruhen teil, die zur Entstehung einer kämpferischen LGBTQI+-Bewegung führten. Sie hat unter anderem die «Street Transvestite Action Revolutionaries» mitgegründet, um junge Obdachlose aus der LGBTQI+-Gemeinschaft zu beherbergen. Ihr Körper wurde in einem Fluss gefunden. Die Polizei hat ihren Tod als Selbstmord bezeichnet, ihr Umfeld spricht von Mord.

Malte C. ist ein trans Mann, ein Held, der gestorben ist, als er zwei Personen verteidigt hat, die während der Pride in Münster (Deutschland) im September 2022 angegriffen wurden. Er war 25 Jahre alt.

Hande Kader ist eine trans Frau, eine Aktivistin, die bekannt war dafür, sich gegen die Polizei gestellt zu haben, nachdem die Regierung die Pride-Parade in Istanbul verboten hatte. Sie war 23 Jahre alt, als sie ermordet wurde.

Sangeetha ist eine trans Frau und Mitglied eines Vereins für trans Personen. Sie hat eine Gemeinschaftsküche gegründet, um trans Menschen zu unterstützen, die während der COVID-Krise ihre Einkünfte verloren haben. Sie wurde im Oktober 2020 in Indien ermordet, sie war 60 Jahre alt.

Iyana Macedo Silva ist eine trans Frau und Mitglied der LGBTQI+-Gemeinschaft. Sie war Stylistin und lebte in der französischen Region Hauts-de-Seine. Sie wurde im September 2021 ermordet.

Naomi Hersi ist eine trans Frau aus London, beschrieben als eine sanfte und selbstbewusste Person. Sie wurde im März 2018 im Alter von 36 Jahren ermordet.

Essi Grandlund ist eine trans Frau aus Finnland. Sie wurde im Juni 2020 erstochen. Sie war 26 Jahre alt.

Samuel Hoffmann ist ein trans Mann, der in Billesholm in Schweden lebte. Er wurde im Februar 2022 ermordet. Sein Alter ist nicht bekannt.

Wir vergessen ihre Geschichten nicht. Sich erinnern heisst kämpfen.

Feminist*innen, trans Aktivist*innen und Aktivist*innen anderer Genderidentitäten kämpfen gemeinsam, um den Kapitalismus abzuschaffen und ein freies Leben zu erschaffen.


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Internationales

Gerechtigkeit für Jîna Mahsa Amîni

Solidaritätskundgebung mit den Protesten im Iran und im Kurdistan

In Gedenken an J’ina Mahsa Amîni und in Solidarität mit den Protesten im Iran und Kurdistan fand am 27. September 2022 am Bahnhofsplatz Bern eine Kundgebung statt. Jîna Mahsa Amînî wurde am 13. September 2022 von der sogenannten Sittenpolizei im Iran verhaftet. Grund dafür: Sie habe ihr Kopftuch unangemessen getragen und ihre Haare nicht vollständig bedeckt. Nach nur zwei Stunden in Haft wurde sie von der Sittenpolizei verprügelt, fiel ins Koma und starb einige Tage später am 16. September an ihren Verletzungen. Während die Polizei und der iranische Staat bestreiten, physische Gewalt ausgeübt zu haben, widersprechen verschiedene Zeug*innen diesen Aussagen und berichten von Gewalt während der Verhaftung, sowie auf dem Polizeirevier. Jîna Mahsa Amînî wurde von der iranischen Polizei umgebracht. Ihr Tod ist die traurige Folge von patriarchaler Gewalt. Ihr Tod ist ein staatlich begangener Feminizid. Weiter ist ihr Tod in Zusammenhang mit ihrer kurdischen Herkunft zu betrachten; Jîna Mahsa Amînî war Kurdin aus der Provinz Ost-Kurdistan im Iran und wie viele andere Kurd*innen auch, muss davon ausgegangen werden, dass auch sie die rassistische Diskriminierung im Alltag erleben musste, welche die kurdische Bevölkerung tagtäglich zu spüren bekommt.

Die Gewalt gegen Jîna Mahsa Amînî ist leider kein Einzelfall, sondern steht repräsentativ für die patriarchalen Strukturen, welche im Iran beispielsweise in Form der «Sittenpolizei» Frauen, feminisierte Menschen und Queers unterdrückt. Die sogenannte Sittenpolizei überwacht die weibliche / feminisierte Bevölkerung und beurteilt unter anderem, wie lang der Mantel ist, welcher getragen wird, ob das Gesicht zu stark geschminkt ist oder die Kleidung zu bunt / enganliegend ist. Es existieren diverse Berichte darüber, wie die Einsatzkräfte der Sittenpolizei durch körperliche und psychische Gewalt Menschen die patriarchalen Forderungen aufzwingen. Weiter zeigte der Staat gerade kürzlich, wie er mit Menschen verfahrt, welche sich gegen diese unterdrückende Machtstrukturen zur Wehr setzen: Vor einigen Tagen wurden die lesbischen Aktivistinnen Elham Choubdar (24) und Zahra Sedighi Hamedani (31) zur Todesstrafe verurteilt. Hamedani und Chubdar wurden wegen «Verbreitung von Korruption auf der Erde» verurteilt – eine Anklage, auf die die Todesstrafe steht und die häufig gegen Angeklagte verhängt wird, die gegen die Scharia-Gesetze des Landes verstoßen haben. Der Tod von Jîna und die Verurteilung von Elham und Zahra sind nur zwei Beispiele der allgegenwärtigen patriarchalen Machtpolitik von Staaten gegen Frauen, feminisierte Menschen, Queers, und ihre Körper!

Jîna Mahsa Amînî Tod führte zu zahlreichen Demonstrationen und offenem Widerstand gegen das Regime von Ebrahim Raisi im Iran und Kurdistan. Tausende protestieren auf der Strasse, verbrennen ihre Kopftücher, zünden Polizeireviere an und legen ihre Arbeit nieder. Der iranische Staat antwortete auf diese Massenproteste mit enormer Brutalität: Laut einer kurdischen Menschenrechtsorganisation sind in Kurdistan während der Proteste mindestens acht Menschen getötet, über 400 verletzt und über 500 verhaftet worden [Stand 21.9.22]. Doch die Aufstände sind ein Beispiel dafür, welche Kraft unterdrückte Menschen erreichen, wenn sie sich zusammenschliessen und kollektiv Widerstand leisten.

Auch wir sind heute hier, um unsere Wut, Trauer und Betroffenheit über den Tod von Jîna Mahsa Amînî auszudrücken. Unsere Solidarität gilt den mutigen Frauen und Queers, die gegen patriarchale Normen rebellieren. Unsere Gedanken sind bei allen aufgrund von patriarchaler und rassistischer Gewalt ermordeten Menschen und ihren Angehörigen. Unsere Solidarität gilt den von Repression betroffenen Demonstrierenden im Iran, sowie allen unterdrückten Gemeinschaften und Geschlechter.

Wir erinnern uns daran, dass auch in der Schweiz patriarchale Gewalt Alltag ist und jede zweite Woche eine Frau, eine non-binäre, trans oder agender Person umgebracht wird. Auch in der Schweiz übt der Staat und die Polizei jeden Tag systematische Gewalt gegen Frauen, non-binäre Menschen, trans Personen, queere Menschen und People of Color aus. Auch in der Schweiz führt Polizeigewalt zur Ermordung von rassistisch diskriminierten Menschen. Auch in der Schweiz sind die Rechte der kurdischen Bevölkerung nicht geschützt, stattdessen finanziert schweizerisches Geld den Angriffskrieg der Türkei gegen die selbstverwaltete kurdische Region Rojava.

Der Tod von Jîna Mahsa Amînî betrifft uns alle. Er ist Teil eines patriarchalen Krieges gegen Frauen, feminisierte Menschen und Queers. Wir fordern Gerechtigkeit für Jîna Mahsa Amînî und alle weiteren von Polizeigewalt und patriarchaler Gewalt ermordeten Geschwister. Wir fordern körperliche Selbstbestimmung für alle Menschen. Wir fordern Freiheit für alle unterdrückten Frauen, Lesben, non-binären, trans, inter und agender Personen im Iran, aber auch in allen anderen Länder dieser Welt. Wir fordern Gerechtigkeit für die verfolgte und bekriegte kurdische Gemeinschaft. Für eine solidarische, internationalistische Antwort auf den Angriff von Staat, Patriarchat und Kapitalismus auf die Körper von Frauen, feminisierten Personen und Queers!
Rest in Power Jîna Mahsa Amînî

Jin Jîyan Azadî – Frauen, Leben, Freiheit

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Aktion

Unbedingte Solidarität

Keine Toleranz für Intoleranz

Freiheit für Zahra und Elham!


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Internationales

Offenes Kampagnentreffen gegen Todesstrafe von LGBTQ+-Aktivist*innen im Iran

Bern – Samstag 24. September – 15-18 Uhr – Neubrückstrasse 17

Wir laden Sie alle ein an dem offenen Kampagnen-Treffen in Bern teilzunehmen und gemeinsam für das Leben und die Freilassung unserer Geschwister im Iran zu kämpfen!

english below

Wir laden ein zum offenen Treffen am Samstag 24. September 2022, von 15 Uhr bis 18 Uhr in der Neubrückstrasse 17 in Bern. Wir müssen die Kampagne zur Freilassung der 2 Aktivist*innen stärken und verbreiten. Kommt zahlreich. Wenn ihr Fragen oder Anmerkungen habt, könnt ihr euch bei niunamenos@immerda.ch melden.

Die zwei LGBTQ+ Aktivist*innen, Zahra (Sareh) Sedighi Hamedani, 31, und Elham Chubdar, 24, wurden im Iran zu Tode verurteilt.

Hamedani und Chubdar wurden wegen «Verbreitung von Korruption auf der Erde» verurteilt – eine Anklage, auf die die Todesstrafe steht und die häufig gegen Angeklagte verhängt wird, die gegen die Scharia-Gesetze des Landes verstoßen haben. Das Urteil wurde ihnen während ihrer Haft im Frauentrakt des Gefängnisses von Urmia im Iran mitgeteilt.

In einer kurzen Erklärung bestätigte die iranische Justiz die Todesurteile, erklärte jedoch, sie stünden im Zusammenhang mit Menschenhandel und Prostitution. Homosexualität ist im Iran kriminalisiert und wird mit Gefängnis, Auspeitschung und Tod bestraft.

Am 16. Januar 2022 wurde Zahra Sedighi-Hamadani dem leitenden Ermittler Revolutions- und Staatsanwaltschaft in Urmia vorgeführt, der ihr mitteilte, dass sie beschuldigt werde, «Korruption auf der Erde zu verbreiten», unter anderem durch «Förderung der Homosexualität», «Kommunikation mit Medienkanälen, die gegen die Islamische Republik gerichtet sind».

Nach ihrer Verhaftung wurde Sareh in Isolationshaft gehalten und intensiven Verhören unterzogen. Die Revolutionsgarde beleidigte sie wegen ihrer Identität und ihres Aussehens und drohte, sie hinzurichten und ihr die Kinder wegzunehmen

Homosexualität ist im Iran verboten, und das Strafgesetzbuch stellt gleichgeschlechtliches Sexualverhalten für Männer und Frauen ausdrücklich unter Strafe. Die Höchststrafe ist die Todesstrafe.

LGBTQ+-Personen sind im Iran mit schwerer Diskriminierung und Gewalt in der Gesellschaft konfrontiert. Doch auch hier werden die Rechte von LGBTQ-Menschen immer wieder angegriffen. Gegen den Homo-, Trans- und Queerhass braucht es internationale Solidarität!

Jetzt braucht es unsere internationale Solidarität! Unsere zwei Geschwister müssen umgehend freigelassen werden. Wir müssen öffentlichen Druck aufbauen um dieses Urteil abzuwenden. Gemeinsam können wir die 2 Aktivist*innen vor der Todesstrafe bewahren.

Aus diesen Gründen haben wir uns entschieden, an der Seite unserer beiden inhaftierten und zum Tode verurteilten Genoss*innen Zahra (Sareh) Sedighi Hamedani und Elham Chubdar zu stehen. Solidarität lässt sich durch keine Grenze aufhalten. Auf die Unterdrückung durch Staat, Kapital und Patriarchat antworten wir mit praktischer sozialer Solidarität von unten. Wir antworten mit kollektiven Kämpfen und Gemeinschaft. Wir bauen sozialen und klassenkämpferischen Widerstand auf, um eine Welt der wirklichen Gleichheit und Freiheit für alle zu schaffen. Gegen die Kolonisierung unserer Körper!

Bis jede Art von Gefängnis zerstört ist, ist niemand von uns frei!