Diesen Dienstag wurde eine Frau in Binningen (BL) in ihrem Wohnhaus von ihrem Ehemann getötet. Ihr Name war Kristina, sie war 38 Jahre alt und hatte 2 Töchter. Wir schicken viel Kraft an die Kinder und das trauernde Umfeld und denken an euch.
Es ist erschreckend, mit welcher Regelmässigkeit und Häufigkeit patriarchale Gewalt Frauen und weiblich gelesene Personen aus dem Leben reisst. Noch nicht einmal 7 Wochen sind um in neuen Jahr und bereits fünf Feminizide mit Bezug zur Schweiz!
Die Medien beschreiben Kristinas Leben auf Social Media mit ihrem Mann als Bilderbuchleben auf dem Villenhügel. Wir fragen uns, was für ein Bilderbuchleben das sein soll, in dem ein Mann seine Frau töten kann, ohne dass es verhindert wird? Ohne das Menschen vor Gewalt geschützt werden? Patriarchale Gewalt durchzieht unsere Gesellschaft durch alle Orte, Quartiere und Klassenzugehörigkeiten. Sie kann jede* treffen. Stoppen wir diese tödliche Epidemie – für Kristina, Mariam und alle anderen, die aus dem Leben gerissen wurden. Stoppen wir patriarchale Gewalt gemeinsam in dem wir uns zusammenschliessen um kollektive Antworten zu finden.
Ihr Name war Mariam! Ihr lebloser Körper wurde im Rhein gefunden, sie war seit dem 31. Januar verschwunden.
Dies ist der vierte Feminizid in der Schweiz im Jahr 2024.
Ihr Name war Mariam und sie war 27 Jahre alt. Sie wurde von ihrem Ehemann ermordet. Und wir sind überzeugt, dass Mariam, Eli, Mélanie und all die anderen Opfer von Feminiziden noch bei uns wären, wenn wir nicht in einer Gesellschaft leben würden, die patriarchale Gewalt akzeptiert und normalisiert.
Wir werden uns so lange mobilisieren, wie es nötig ist, um die Erinnerung an Mariam und all die anderen am Leben zu erhalten.
Am 8. Januar 2024 wurde eine Frau von ihrem Ehemann getötet, während sie sich in Thailand aufhielten. Ihr Name war Orathai und sie lebte in der Schweiz. Sie war vor einigen Monaten nach Thailand gezogen. Dies ist der dritte Feminizid mit Bezug zur Schweiz, von dem wir im Jahr 2024 erfahren haben. Mit Trauer und Wut nehmen wir die Nachricht vom Tod unserer Schwester Orathai zur Kenntnis. Wieder einmal ist die Art und Weise, wie die Schweizer Medien über Feminizide berichten, absolut empörend. Bevor wir erfuhren, dass der Mörder verhaftet worden war und den Mord an seiner Frau gestanden hatte, titelte der Blick “Schweizer Ehefrau verschwindet in Thailand” und berichtete von einem verzweifelten Ehemann, nachdem seine Frau verschwunden war, kurz nachdem sie ein Erbe erhalten hatte. In Wirklichkeit war er es, der sie getötet und danach wahrscheinlich ihr Geld gestohlen hatte. Es wird darauf bestanden, dass dieser Feminizid gemeldet wird, auch wenn er nicht in der Schweiz stattgefunden hat. Es ist schwer vorstellbar, wie viele Feminizide von Schweizer Männern im Ausland begangen werden, die ungestraft bleiben und nie gemeldet werden. Für Orathai, für alle durch patriarchale Gewalt Ermordeten, für alle Überlebenden, werden wir weiterkämpfen! Unsere tiefsten Gedanken sind bei den Angehörigen von Orathai. Wenn Sie uns kontaktieren möchten, sind wir immer erreichbar. Wir schicken Ihnen viel Mut.
Die Orte, an denen sie getötet wurden, zu visualisieren, Feminizide mit einer Stadt, die man kennt, oder einem Dorf, durch das man gefahren ist, zu verbinden, macht diese Geschichten greifbarer. In der Schweiz kennen die meisten Menschen die Namen der Opfer von Feminiziden nicht. Das liegt an einer überentwickelten Kultur des Privatlebens und der fehlenden Anerkennung der Tatsache, dass Feminizide keine Privatangelegenheit sind, sondern politische Morde, gegen die wir gemeinsam kämpfen müssen. Die Karte hilft uns dabei, einen winzigen Teil der Geschichte dieser Frauen wiederzugeben.
Auf dieser Karte sehen wir die Feminizide, die im Jahr 2023 begangen wurden. Wir können sehen, dass dies ein Problem ist, das das ganze Land betrifft, die Städte genauso wie die Dörfer, die Täler genauso wie die Ebenen. Die Karte beleuchtet zwar die Feminizide, veredckt aber auch wichtige Informationen. Der fünfte markierte Feminizid in der Stadt Yverdon-les-bains verschleiert die Tatsache, dass es sich in Wirklichkeit um einen vierfachen Feminizid handelt. Ein Mann tötete seine Frau und seine drei Töchter. Zwei Feminizide, bei denen die Opfer in der Schweiz wohnten, aber auf Reisen im Ausland getötet wurden, sind ebenfalls nicht auf der Karte verzeichnet. Der erste betrifft eine Frau, die in Indien von einem Mann getötet wurde, mit dem sie zusammen war, der zweite eine Frau, die von ihrem Partner getötet wurde, während sie beide in Pristina an einer Hochzeit teilnahmen. Wir veröffentlichen diese Karte, indem wir unsere tiefsten Gedanken an die Angehörigen der Opfer senden.
Wir möchten die Geschichten all dieser Frauen erzählen können, ihre Erinnerung am Leben erhalten können. Wir erinnern uns an sie in unserem Kampf zur Verhinderung von Feminiziden.
Am 15. Januar wurde eine 56-jährige Frau von einem 25-jährigen Mann, der sie kannte, getötet.
Dies ist der zweite Feminizid in der Schweiz im Jahr 2024.
Patriarchale Gewalt tötet in der Schweiz etwa jede Woche. Die Zahl der Feminizide weltweit hat laut einem Ende 2023 veröffentlichten Bericht der Vereinten Nationen im Jahr 2022 einen Rekord erreicht. Diese Morde sind keine Einzelfälle, die von irrationalen Menschen in einem Moment des Wahnsinns begangen werden. Sie sind das Ergebnis einer Gesellschaft, in der männliche Dominanz die Norm ist, in der Kontrollverhalten banalisiert wird und sexistische Diskriminierung eingebaut ist. Aus diesem Grund ist der Kampf gegen Feminizide ein umfassender Kampf gegen patriarchale Gewalt in all ihren Formen. Zu diesem Kampf gehört auch die Erkenntnis, dass wir als von patriarchaler Unterdrückung Betroffene von diesem System geprägt sind und dass uns das manchmal dazu bringt, bestimmte Gewalt zu akzeptieren oder zu entschuldigen, die dann andere Gewalt möglich macht, bis hin zum Feminizid.
Lasst uns zusammenstehen, solidarisch und entschlossen sein, der patriarchalen Gewalt keinen Raum mehr zu geben. Für unsere Schwester, die in Wädenswil getötet wurde, und für alle anderen werden wir auf der Asche des Patriarchats ein freies Leben aufbauen.
Am 5. Januar wurde eine 46-jährige Frau von einem Mann getötet, der ihren leblosen Körper anschließend in den See warf. Dies ist der erste Feminizid im Jahr 2024. Sie war Französin und bisher ist nichts weiter über sie bekannt. Sie wird nie wieder ihre Verwandten umarmen, nie wieder mit ihren Freund*innen lachen. Dies ist der erste Feminizid in diesem Jahr. Im Jahr 2023 wurden 22 Feminizide gezählt, 2022 waren es 16, 2021 26. Ein Feminizid alle zwei bis drei Wochen. Diese Regelmäßigkeit lässt uns das Blut gefrieren. Die Untätigkeit der Regierung macht uns krank. Erinnern wir uns daran, dass der Bundesrat im November letzten Jahres versucht hat, die Gelder für die Prävention patriarchaler Gewalt einzufrieren. Die Entscheidung wurde schließlich unter dem Druck von feministischen Gruppen und ihren Verbündeten zurückgenommen. Doch trotz allem beginnen wir das neue Jahr voller Energie und Entschlossenheit. Hoffnung auch, weil der Kampf gegen Frauenmorde jedes Jahr stärker wird und wir wissen, dass es Tausende von ihnen gibt. Die Verwendung des Begriffs Feminizid durch die Medien ist in den letzten drei Jahren dank unserer Mobilisierung üblich geworden. Wir lassen nicht locker, nicht ein einziger Feminizid mehr!
Ein weiteres Mal sind wir in Gedanken beim Umfeld des Opfers und wünschen ihnen viel Kraft und Mut. Der einzige Presseartikel über die Tat spricht nicht von einem Feminizid. Ohne das hervorragende Rechercheprojekt stopfemizid.ch (das seine Arbeit komplett unbezahlt leistet), hätten wir nichts von diesem Mord erfahren. Es ist äusserst wichtig, dass die Polizei und die Medien beginnen, systematisch das Wort «Feminizid» zu verwenden. Ausserdem braucht es ein nationales und vom Staat finanziertes Register aller Feminizide. Die Gerichtsverhandlung von Montag stellt trotz allem einen kleinen Fortschritt dar, findet Noëlle Gerber: «Die Anwältin der Zivilklägerinnen und Zivilkläger hat von einem Femizid gesprochen. Noch vor zwei Jahren wäre das undenkbar gewesen.» Das Wort Feminizid stammt ursprünglich aus Lateinamerika und steht für einen – häufig äusserst brutalen und vom Willen, jede Spur der anderen Person auszulöschen, geprägten – Mord an Frauen oder Transpersonen, der insbesondere damit zusammenhängt, dass Männer das Gefühl haben, ihnen stehe legitim das Recht zu, über weibliche und trans Körper zu verfügen. Die Silbe “ni” in Feminizide wurde von der Anthropologin Marcela Lagarde geprägt und kennzeichnet die Notwendigkeit gesellschaftliche Machtstrukturen und staatliche Mitschuld an Feminiziden zu berücksichtigen. Der Staat und die Gesellschaft in der Schweiz beruhen noch immer auf dem patriarchalen Modell einer heterosexuellen Kernfamilie, in welcher der Mann als Vater der Familie für diese verantwortlich ist und gleichzeitig über sie bestimmen darf. Genau dieses gesellschaftliche Verständnis der Rolle des Mannes ist die Grundlage und der Grund jedes Feminizids. Solange wir unseren Staat und unsere Gesellschaft nicht grundlegend ändern, damit sie nicht mehr auf diesem patriarchalen Modell beruhen, wird es auch in Zukunft zu Feminiziden kommen. Beginnen wir also damit, zu sagen: Feminizid. Genau um diesen Zusammenhang zwischen dem Staat, der Gesellschaft und diesen Morden auszudrücken. Damit es keinen einzigen Feminizid mehr gibt!
Am 11. November ereignete sich in Sitten ein Doppelmord. Eine Frau starb, nachdem sie von einem Mann auf der Strasse erschossen worden war. Mehrere Zeitungen berichteten, dass der Mörder sie belästigt hatte und dass eine Anzeige erstattet worden war, die jedoch zu den Akten gelegt wurde. Auf der Pressekonferenz erklärt die Staatsanwaltschaft, dass es sich nicht um einen Feminizid handelt, da es keine intime Beziehung zwischen Opfer und Täter gab. Feminizide sind Morde, deren Motiv das Geschlecht ist und die dadurch ermöglicht werden, dass die Institutionen Straflosigkeit gegenüber patriarchaler Gewalt aufrechterhalten. Die Reduzierung von Feminiziden auf die Intimsphäre verschleiert das Ausmass des Problems und die Verantwortung des Staates. Ebenso leugnet die Bezeichnung des Täters als Verrückter oder Psychopath die Verantwortung für ein ganzes System von Diskriminierung und Herrschaft, dessen brutalster Ausdruck die Feminizide sind. Nach dem Feminizid von Guilia in Italien äusserte sich ihre Schwester wie folgt: “Macht keine Schweigeminute für Guilia, verbrennt alles, denn was wir brauchen, ist eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft”. Im Namen der in Sion getöteten Frau und aller anderen Frauen werden wir weiter kämpfen, um das Patriarchat zu zerstören und auf seiner Glut eine feministische und solidarische Gesellschaft aufzubauen. Wir schicken all unsere Gedanken und viel Kraft an ihre Angehörigen und stehen zur Verfügung, wenn Sie uns kontaktieren möchten.
Am Montag, 29. November, fand der Prozess zum Feminizid statt, der vor eineinhalb Jahren in der Kollektivunterkunft Büren an der Aare verübt wurde.
Wir haben der Verhandlung beigewohnt, bei welcher der Ehemann von Jamilia zu 20 Jahren Gefängnis wegen Mordes verurteilt wurde. Wir sind schockiert, dass die Mitverantwortung der Unterkunftsleitung und des Schweizer Asylwesens im Gesamten kein einziges Mal erwähnt wurde. Es wurde auch nicht verlangt, das endlich Präventationsmassnahmen gegen patriarchale Gewalt in den Unterkünften für Geflüchtete getroffen werden.
Wir kritisieren auch, dass die Gewalt als ein individuelles und «importiertes» Problem dargestellt wurde. In der Schweiz werden jedes Jahr zahlreiche Personen ermordet, die vorher bei den Behörden Hilfe gesucht haben – wie Jamilia. Der Beweis, dass der Schweizer Staat und die Organisationen, die ihn vertreten, Teil des Problem sind und dass Feminizide nicht «importiert» sondern auch ein durch und durch schweizerisches Phänomen sind.
Der Prozess war zudem von krudem Sexismus geprägt. Das Gericht befand für notwendig, zu untersuchen, ob Jamilia einen Geliebten gehabt hat. Es wurde zwar festgestellt, dass es sich um Lügen des Mörders handelte, aber die Tatsache, dass diese Frage überhaupt gestellt wurde, dient schlicht der Umkehr der Schuld zwischen Täter und Opfer. Die Vorsitzende des Gerichts hat darauf in Betracht gezogen, dass es sich um eine Tötung aus Leidenschaft gehandelt habe: Die Frage sei, ob der Angeschuldigte ein aufbrausender Tyrann oder ein untröstlicher Ehemann sei. Sie kamen zum Schluss, dass es sich nicht um eine Tat im Affekt gehandelt habe, denn diese sei davon charakterisiert, dass das Opfer sie teilweise provoziert habe. Dass überhaupt noch von Affekt gesprochen wird, davon, dass aus Liebe gemordet werden könne und das ein mildernder Umstand sei, ist absolut skandalös! Es ist dringend, diese Umkehr von Täter und Opfer nicht mehr zuzulassen, bei der eine Provokation von Seiten der getöteten Person vermutet und gesucht wird! Diese Haltung hat schon genügend Schaden angerichtet. Es gibt nichts, das rechtfertigen würde, jemandem das Leben zu nehmen und sie ihren Liebsten zu entreissen!
Gerechtigkeit für Jamilia und für alle anderen Opfer von Feminiziden bedeutet, alles zu tun, um zu vermeiden, dass auch nur ein einziger weiterer Feminizid stattfindet!