
Am 1. Juli 2025 stirbt Camila, ein 14-jähriges Mädchen in Lausanne, nachdem die Polizei sie und einen weiteren Jugendlichen auf einem Motorroller verfolgt hatte. Die Polizei spricht von einem „Kontrollversuch“ – doch was passiert ist, ist eine tödliche Eskalation staatlicher Gewalt. Ein junges Leben wurde ausgelöscht – weil sich zwei Jugendliche der Polizei nicht unterordnen wollten.
Camila hatte gerade ihr Schuljahr am Collège de Béthusy in Lausanne beendet und wollte den Beginn der Sommerferien feiern. Ihr Vater beschreibt sie als ein süsses und ruhiges Mädchen. Sie war Fussballspielerin beim FC Concordia, der auf seiner Facebook-Seite schrieb: “Camila, dein Lächeln, deine Freundlichkeit, deine Energie und deine Leidenschaft für das Spiel haben jedes deiner Trainings und jedes deiner Spiele erhellt. Du warst mehr als eine Spielerin: Du warst eine Freundin, eine Teamkollegin, ein Stern unter uns.”
Polizeigewalt ist kein Fehler im System. Sie ist Teil davon.
Immer wieder sehen wir, wie Polizei mit brutaler Konsequenz agiert, wenn Menschen sich ihrer Kontrolle entziehen wollen. Wer flieht, wird gejagt. Wer sich nicht unterordnet, wird dazu gezwungen. Auch wenn es Kinder sind. Auch wenn es tödlich endet. Diese Form der Machtdemonstration ist kein „Einzelfall“, sondern Ausdruck eines Gewaltapparats, der gelernt hat, dass er mit allem davonkommt.
Polizeiliche Gewalt funktioniert nach patriarchaler Logik.
Wie patriarchale Täter in Beziehungen versuchen, Kontrolle mit Gewalt durchzusetzen, handelt auch die Polizei: Sie will Gehorsam. Sie will Unterwerfung. Und sie nutzt Angst, Einschüchterung und Strafe als Mittel, um diese Ordnung aufrechtzuerhalten. Polizeigewalt ist keine neutrale Gewalt. Sie richtet sich systematisch gegen bestimmte Menschen: Jugendliche, von Rassismus betroffene Menschen, Migrant*innen, arme Menschen – und immer wieder gegen Frauen, Mädchen und genderqueere Personen.
Straflosigkeit sichert die Machtverhältnisse.
Wenn Männer Frauen töten, werden sie oft durch Justiz, Medien und Gesellschaft relativiert. Wenn die Polizei tötet, passiert dasselbe. Der Staat schützt seine Täter. So bleibt Gewalt möglich – und normal. Was wir erleben, ist keine Ausnahme, sondern die Folge einer systematisch organisierten Straflosigkeit.
Diese Gewalt geschieht nicht aus Versehen. Sie ist Konsequenz einer autoritären, patriarchalen Ordnung, die Kontrolle wichtiger findet als Leben. 2018 tötete die Polizei Mike Ben Peter in Lausanne. Derselbe Polizist, der 2018 an diesem Einsatz beteiligt war, jagte nun ein 14-jähriges Mädchen durch die Strassen und nahm ihren Tod in Kauf. Vom Gericht wurden die Beamten, die bei der Tötung von Mike Ben Peter beteiligt waren, damals freigesprochen. Am 25. Mai wurde Michael Kenechukwu Ekemezie, ein junger Nigerianer, von der Lausanner Polizei während einer Festnahme getötet. Am 19. März 2021 wurde Evangelista Mañón Moreno (Eli) von ihrem Lebensgefährten, der ebenfalls Polizist bei der Polizei in Lausanne war, ermordet. Er tötete Eli mit seiner Dienstwaffe.
Polizeigewalt und patriarchale Gewalt sind nicht getrennt – sie sind strukturell verbunden.
Beide funktionieren durch Kontrolle, Einschüchterung, Angst. Beide werden selten konsequent verfolgt. Beide töten. Wenn wir über Feminizide sprechen, müssen wir auch über die Polizei sprechen. Denn ein System, das Täter schützt, ist nicht reformierbar. Es muss bekämpft werden.
Wir wünschen allen Menschen, die Camila trauern, viel Kraft!
Für Camila. Für alle, die durch Polizei und Patriarchat ihr Leben verloren haben.
Wir vergessen nicht. Wir vergeben nicht. Wir kämpfen weiter.