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Statement

Das Patriarchat tötet, die Polizei auch

Vor 2 Jahren, am 19. März 2021, wurde Evangelista Mañón Moreno (Eli) in Bussigny von ihrem Partner getötet. Er war Polizist in Lausanne und hat Eli mit seiner Dienstwaffe getötet. Vorher hat er Alarm geschlagen und gesagt, er fürchte, mit der Waffe «eine Dummheit anzustellen», doch er wurde nicht ernst genommen. Ein Polizist, der tötet, ist unvorstellbar…? Und doch kommt es häufiger vor, als viele denken!

Wir stehen noch unter Schock nach dem vierfachen Feminizid in Yverdon-les-Bains am 9. März 2023. Der Täter hat nicht nur seine drei Töchter und seine Ex-Partnerin Coralie, Alyssia, Madyson und Chelsey erschossen, er hat auch das Haus buchstäblich in die Luft gejagt. Nichts sollte mehr übrig bleiben vom Leben der vier Frauen. Der Täter war früher Polizist.

Der zweite Feminizid in zwei Jahren verübt durch einen Polizisten im Kanton Waadt. Ist das wirklich Zufall? Leider nein. Feminizid ist eine äusserst extreme Folge dessen, was es heisst, in der Schweiz «als ein Mann» aufgewachsen zu sein und zu leben. Seine Emotionen nicht anders verarbeiten können als durch Wut und Gewalt, nicht effektiv nach Hilfe bitten können, glauben, es sei gerechtfertigt und ein Recht, die Personen zu besitzen, mit denen man in einer Beziehung lebt.

Privatbesitz, habt ihr gesagt? In der Schweiz ist kein Gut rechtlich so gut geschützt. Die Gesetze erlauben es den Gerichten, eine Person, die einer anderen etwas gestohlen hat, strenger zu bestrafen, als eine Person, die ein Leben genommen hat. Und sie tun es mit einer erschreckenden Systematik. Die Aufgabe der Polizei besteht darin, den Rechtsstaat zu verteidigen. Es ist also nicht erstaunlich, dass in einem Land, das den Privatbesitz so hoch hält, Polizisten über einen stark ausgeprägten Sinn für Besitz verfügen. Dazu kommen noch die Gewohnheit, eine Feuerwaffe zu tragen und zu benutzen sowie Gewalt auszuüben, die Kameraderie und die Kollegen, die einem immer wieder in Erinnerung rufen, was es heisst «ein richtiger Mann» zu sein, die Tatsache, dass man als Polizist in der Schweiz praktisch straflos bleibt (was von zahlreichen NGOs und internationalen Organisationen kritisiert wird).

Unser Rechtsstaat ist auch patriarchal, das heisst, er wurde nach dem Modell einer Familie mit einem Familienvater als Vorsteher geschaffen und diese Lebensweise gilt auch als die Norm. Zahlreiche Gesetze wie zum Beispiel das geltende Steuer- oder Familienrecht zeugen nach davon. Die Frau ist dem Mann unterstellt: Die Polizei, der bewaffnete Arm des Staates und Garant von öffentlicher Ordnung und guten Sitten, verteidigt auch dieses Verständnis der Beziehung innerhalb eines Paares.

Wir werden die Geschichten von Eli, Coralie, Alyssia, Madyson und Chelsey nicht vergessen. Ihr Tod ist nicht nur dem Patriarchat verschuldet, sondern auch der Polizei als Institution.