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Statement

Bertrand Cantat und die Feminizidkultur

Gerne hätten wir nie mehr Zeit darauf verschwenden müssen, über den Musiker Bertrand Cantat zu sprechen…! Doch jetzt wo Cantat, der seinen Feminizid an der Schauspielerin Marie Trintignant seit 20 Jahren mit seiner «Liebe» und seiner «Leidenschaft» für das Opfer rechtfertigt, sich doch tatsächlich anmasst, wieder auf die Bühne steigen zu wollen, haben wir auch erfahren, dass die Namen von Trintignant und Cantat regelmässig von französischsprachigen Rappern verwendet werden… in Lieder, die Gewalt gegen Frauen und feminisierte Menschen bis zu Feminiziden über alle Masse verherrlichen.

Wir sind schockiert, wir sind wütend.

Wenn wir dieses Phänomen zu kontextualisieren versuchen, dann kommen wir zum Schluss, dass es so etwas wie eine «Feminizidkultur» gibt, so wie es auch eine Vergewaltigungskultur gibt. Ein System von Ideen, Bildern, Aussagen und Verhalten, die allesamt dazu beitragen, dass körperliche Gewalt bis zur Tötung von Frauen und feminisierten Menschen normalisiert, banalisiert und gerechtfertigt werden.

Die Vorstellung von der Mitverantwortung der misshandelten Frau/feminisierten Person ist noch immer sehr tief verankert. Das Tabu rund um physische Gewalt besteht weiter und diese Geschehnisse werden in den Bereich des Privaten verbannt (wovon auch die Verwendung von Begriffen wie «Familiendrama» zeugt), in den Aussenstehende sich nicht einzumischen haben. Frauen und feminisierte Menschen, die sich gegen ihre Angreifer wehren, werden kriminalisiert und verurteilt, als hätten sie sich eher für den Tod entscheiden müssen, als sich zu verteidigen (was in Fällen von «nicht-häuslicher Gewalt» jedoch manchmal als legal angesehen wird).

Das Konzept der Vergewaltigungskultur und dasjenige der Feminizidkultur verweisen auch darauf, dass der gesellschaftliche Kontext dazu führt, dass solche Handlungen überhaupt vorstellbar und durchführbar werden. Ein Feminizid wird nicht von einem Verrückten verübt, der komplett von der Gesellschaft abgeschnitten gewesen wäre. In unserer Gesellschaft lernen die Männer noch immer, dass sie das Recht haben, den Körper einer Frau oder einer feminisierten Person zu besitzen (ihn anzuschauen, zu berühren, von seiner unbezahlten Arbeit zu profitieren, ihn zu kontrollieren, ihn sexuell zu benutzen, ihn zu töten).

Nun hört natürlich nicht alle Welt französischen Rap, der vorgibt, man müsse eine Frau oder feminisierte Person töten, um ein richtiger Mann zu sein. Aber solange unsere Gesellschaft eine so brutale Tat wie diejenige von Bertrand Cantat nicht als Feminizid bezeichnen, nicht kategorisch verurteilen und nicht laut und deutlich sagen kann, dass niemand aus Liebe oder Leidenschaft tötet, ja dann existiert tatsächlich eine Kultur, die für weitere Feminizide verantwortlich sein wird. Die oben erwähnten Rapper beschreiben einfach unverblümter und expliziter das Problem mit unserer Gesellschaft und wie die unterschiedlichen Genderrollen verstanden und konstruiert werden.

Zum Glück gibt es auch geniale Musikschaffende, die eine entschieden feministische Kultur erschaffen!